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Das Glücksprojekt

Das Glücksprojekt

Titel: Das Glücksprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Reinwarth
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mich nicht an dabei.
    »Du hast einen Steuerberater?«
    »Selbstverständlich.«
    Als wir um die Ecke biegen, strebt er zielsicher auf eine ADAC-Geschäftsstelle zu. »Service Center« steht in großen schwarzen Lettern auf gelbem Grund über dem Eingang. »Hier?« Ich stehe noch skeptisch davor und sehe zu dem Schild hoch, aber das Onkelchen erklimmt schon die drei Stufen zur Eingangstür. Hinter einer Theke strahlt uns ein junger Mann entgegen, das Onkelchen stellt sich vor ihm auf und lächelt ihn an. Kurz überlege ich, einfach nichts zu sagen, aber das halt ich dann doch nicht aus. »Mein Onkel hier meint, Sie als sein Steuerberater würden ihm bei einem Problem mit den Fahrzeugpapieren helfen …«, fange ich an und versuche ein ironisches Lächeln, dabei werfe ich immer wieder Seitenblicke auf den kleinen Onkel, damit der Typ genau weiß, WER hier eventuell einen an der Klatsche hat. Wie seine Sparkassen-Kollegin Frl. Biersack macht der Mann den Schildkröten-Kopf, er reckt ihn nach vorne und legt ihn leicht schief. Dazu faltet er die Hände vor der Brust wie ein guter Protestant. Ob man in Momenten großer Unsicherheit unbewusst zu religiösen Gesten greift? Das Onkelchen lächelt ihn stoisch weiter in Grund und Boden. Aus Ermangelung anderer Ideen, wie er sich in dieser Situation verhalten soll, fragt der Mann schließlich: »Sind Sie denn Mitglied bei uns?« Das Onkelchen sieht mich triumphierend von der Seite an: »Nein. Aber mein Neffe, Thomas. Der ist Mitglied.«
    »Der Thomas«, wiederholt der Angestellte. »Hmhm«, bestätigt das Onkelchen und nickt dabei wie Queen Mum aus ihrer Pferdekutsche. Der junge Mann wendet sich an mich, vermutlich in der Hoffnung, ich könnte erklärende Worte sprechen, aber ich ziehe nur die Augenbrauen nach oben und hebe die Schultern. Was weiß denn ich , soll das bedeuten, und das versteht er auch sofort. In seiner Not dreht er sich um und ruft in eine angelehnte Seitentüre: »Frau Hiebner! Könnten Sie mal kommen?« Da hat seine Stimme schon einen leicht gepressten Klang. Für einen Mann eine Spur zu hoch. Frau Hiebner erscheint in der Tür und füllt dadurch den Rahmen. Sie nimmt ihre goldene Lesebrille von der Nase und mustert uns, das schönste Gespann seit Dick und Doof. Ihr junger Kollege erklärt murmelnd die Lage, zuckt mit den Schultern und sieht dabei immer wieder zu uns herüber. Frau Hiebner ist nur einen Moment überrascht, was an ihrer linken Augenbraue zu sehen ist, die sich nach oben zieht, dann grinst sie. Sie geht zum Onkelchen, das sich in bekannter Manier lächelnd vor dem Tresen aufgestellt hat. »Die Papiere Ihres Autos sind also – weg?«, fragt sie ihn freundlich. »Von den Mäusen gefressen«, berichtigt der Onkel den Tathergang und sieht sie dabei ernst an. »Na, dann kommen Sie mal mit, das kriegen wir schon hin«, sagt Frau Hiebner und mütterliche Güte hüllt uns ein und öffnet uns die Türe hinter den Tresen und in ihr Büro. Während wir eintreten, wirft mir der Onkel einen Blick zu, der sagt: Siehst du. Ich verdrehe die Augen.
    L. verschluckt sich vor lauter Lachen an diesem Abend an seinem Bier. »Herrje, da hätte ich gerne Mäuschen gespielt«, japst er und hält sich den Bauch. »Ja, war wahnsinnig komisch«, kontere ich übellaunig und nehme selbst einen großen Schluck. »Und was hat diese Frau Hiebner dann gemacht?«, fragt L., immer noch giggelnd. »Die hat beim Straßenverkehrsamt angerufen und für morgen einen Termin ausgemacht«, antworte ich. »Dann musst du morgen gleich wieder mit ihm los?«
    »Jepp«, ich nicke und schließe die Augen. »Vorausgesetzt, ich bringe ihn nicht vorher um. Bei meinem Karma-Punkte-Stand kann mir da eigentlich nichts passieren.« L. streicht mir liebevoll über die Wange. »Tapfer«, sagt er und dann: »Kannst du noch einmal den Fräulein-Biersack-Blick nachmachen?«
    Als ich am nächsten Tag ankomme, ist das Tor nicht abgesperrt. Ich schlendere den Weg entlang nach hinten. Es ist ein schöner Tag, warm und sonnig, und durch die Bäume fallen Sonnenstrahlen auf den Boden. Gottesfinger hat meine Oma die immer genannt. Auf der Lichtung zwischen dem Opel und dem Wohnwagen sehe ich ihn dann sitzen: Er hat die Schaumstoffmatratzen vom Autodach herunter und in die Sonne gezogen. Darauf sitzt er und lehnt sich mit dem Rücken an den Kotflügel des Autos. Er schnarcht leise und sein Mund steht offen. Um ihn herum liegen die sechs (oder vier) Hunde und machen ebenfalls ein Nickerchen. In dem Moment ist

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