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Das Glücksprojekt

Das Glücksprojekt

Titel: Das Glücksprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Reinwarth
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Kathrin nicht ausstehen. Ich habe sie in der Hundeschule kennengelernt, in die ich mit Schmitz ging, um ihm beizubringen, dass er sehr wohl kommen muss, wenn ich ihn rufe. Eine Sache, die er bis dato nur als eine Option unter mehreren angesehen hatte. Kathrin gehört zu diesen Leuten, die sich über alles beschweren, aber nie irgendetwas verändern. Das Leben scheint ihr permanent übel mitzuspielen, der Job ist doof, ihre Beziehung mit Jean-Claude im Eimer, die Familie wälzt alles auf sie ab, die Zukunft ist düster, sie weiß weder ein noch aus. Verstehen Sie mich nicht falsch, das geht mir haargenau so, wenn meine Tage im Anmarsch sind. Dann ist auch alles Mist. Und zwar das Leben, das Universum und der ganze Rest. Aber dann sehe ich es auch wieder positiver. Vor allem erkenne ich diesen Zustand und weiß, dass er vorbeigeht und nicht weiter ernst genommen werden muss. L. weiß das glücklicherweise inzwischen auch und geht mir wohlweislich aus dem Weg.
    Kathrin jedoch befindet sich in einem konstanten Jammertal. Wäre es ihr ernst damit, könnte man vermuten, sie habe Depressionen. Mir wurde aber mit der Zeit klar, dass Kathrin mitnichten depressiv ist, sondern eine blöde Gans. Während ich mir nämlich Sorgen um sie machte, unternahm Kathrin Kreuzfahrten, gab Partys und heiratete Jean-Claude. Von da an war nicht mehr die Beziehung im Eimer, sondern die Ehe. Es passiert nie, dass ich Kathrin treffe und sie auf die Frage »Wie geht’s?« mit einem »Gut!« antwortet. Irgendwas ist immer. Und immer ist es ein Schicksalsschlag, darunter macht sie es nicht. Als sie mir das letzte Mal leid tat (»Die Ehe ist so gut wie gescheitert!«) und sie mit Jean-Claude eine Städtereise nach Venedig machte (die Idee kam von mir: damit die beiden etwas Schönes miteinander unternehmen), passte ich auf den Hund auf, goss die Pflanzen und salzte das Meerwasser-Schwimmbecken in ihrem Keller. Und das Haus von Kathrin liegt nicht um die Ecke. Das Haus von Kathrin ist außerdem sehr groß, modern und sauteuer eingerichtet. Hatte sie nicht über ihre finanzielle Not geklagt? Weil sie wegen ihrer Gutmütigkeit zu viele Ausgaben hat? Kathrin sagt von sich selbst, dass sie viel zu gut sei für diese Welt. Zum Beispiel, wenn sie einen Handwerker normal bezahlt, anstatt ihn monatelang hinzuhalten, um ihn dann mit der Hälfte abzuspeisen. So ginge das nämlich auch. Aber der hat ja vielleicht auch Familie, denke ich mir dann, sagt sie und schaut wie eine Madonna.
    Als sie zurückkam, war der Trip natürlich ein Desaster, sie hatte aber tapfer das Beste draus gemacht. Jetzt war dafür ihre Mutter krank, und das sagt die dann mit einem Timbre, dass man davon ausgehen konnte, die Mama würde morgen vom Stängchen kippen. Derweilen hat die nur Kopfweh oder Wasser in der Hüfte oder was weiß denn ich.
    Nach einem Treffen mit Kathrin komme ich mir immer vor, als hätte sie eine faule Frucht in meine Seelenkiste gelegt. Wie in einen Mülleimer. Warum ich sie noch nicht längst los bin? Das fragt mich L. auch immer. Zuerst war mir nicht klar, dass sie mich nur benutzt, und seit ich das weiß, gehe ich der Konfrontation mit Kathrin aus dem Weg. Aber jetzt räume ich auf. Ich mache Schluss mit Kathrin.
    Haben Sie schon mal mit einer Freundin Schluss gemacht? Ich nicht. Meistens läuft es doch so, dass man sich irgendwie nicht mehr so gut versteht, sich seltener sieht und dann schläft der Kontakt sanft ein. Fertig. Der Schlag Freunde aber, die einen aussaugen wie die Blutegel, die lassen nicht los. Dazu ist man zu praktisch für sie. Mit denen muss man richtig Schluss machen. L. schlägt vor, es kurz und schmerzlos zu gestalten. »Du gehst einfach hin und sagst: ›Kathrin, du gehst mir auf die Nerven und ich will dich nicht mehr sehen‹«, dann überlegt er kurz, nickt, und hängt noch »du Sau« hintendran. Das schaffe ich im Leben nicht. Janas Vorschlag ist noch kürzer: »Die bist du mit drei Worten los. Wenn du sie das nächste Mal siehst und sie mit ihrer Mitleidsnummer anfängt, sagst du einfach: ›Kathrin – fick dich!‹ Zufrieden sieht sie mich an und schleckt ihren Milchkaffee-Löffel ab. »Gut, oder?« Nein, nicht gut. Ich kann das nicht. Nicht so jedenfalls. Mir sind Konfrontationen rasend unangenehm und ich gehe ihnen möglichst aus dem Weg. Da kann ich schon gleich dreimal nicht mit Schimpfwörtern um mich schmeißen.
    Zwei Wochen lang höre ich nichts von Kathrin und ich hoffe schon, das Problem würde sich in Luft auflösen.

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