Das Glücksprojekt
mir klar: Ich werde hier gar nichts verändern. Ich hätte vielleicht gerne eine Holzterrasse, eine ordentlich gespannte Regenplane und weniger Müll herumliegen, und in meiner Vorstellung haben die Hunde Namen und dafür keinen Unterbiss. Aber das sind eben meine Wünsche. So wie ich mir vorstelle, dass es ihm besser geht. Derweil weiß das Onkelchen selbst am besten, was es braucht, damit es ihm besser geht. Zum Beispiel eine Kühlbox, damit ihm die Butter nicht immer schlecht wird, und ein paar von diesen Lämpchen, die mit Batterien gehen. Und vor allem: Jemanden, der sich interessiert zeigt, wenn er seinen Aktenkoffer herausholt und stolz die Baupläne seines ehemaligen Hauses zeigt. Oder seine Arbeitsunterlagen von vor 20 Jahren, als er noch ein hoch angesehener Schwertransportfahrer war und Touren durch ganz Europa fuhr. Sogar mit dem Flugzeug haben sie ihn irgendwohin geschickt, damit er die Lastwagen nach Hause fährt! Und es braucht jemanden, der versteht, dass man Einkäufe nicht mitbringt, denn der Onkel braucht niemanden, der ihn versorgt, man darf aber trotzdem hin und wieder Schokolade bei ihm vergessen. Der Onkel fordert genau das, was ich nicht habe: Geduld. Und wissen Sie, was ganz komisch ist: Ich genieße das richtig. Wenn ich bei ihm bin, fühle ich mich wie befreit, denn dann bin ich mich für kurze Zeit endlich mal selbstlos.
Der Trick mit dem Kleiderschrank
Ich weiß nicht, warum, aber irgendwie ist das Ausmisten eines Kleiderschranks zum Symbol für ein besseres Leben geworden. Haben Sie Depressionen, hat die Liebe Ihres Lebens Sie verlassen oder sehen Sie durch das Fenster des Flugzeugs, dass das Triebwerk brennt? Entrümpeln Sie erst mal Ihren Kleiderschrank STøPF von Ikea, dann sieht die Welt schon ganz anders aus. Wie konnte das passieren? Haben wir uns alle für dumm verkaufen lassen? Warum wird unser Leben von einem Kleiderschrank symbolisiert? Solche und andere Fragen quälen mich, seit ich es ausprobiert habe. Schritt für Schritt bin ich den Kleiderschrank-Gurus gefolgt in die leeren, hallenden Weiten des Resopalmöbels. In den Arsch beißen könnte ich mir.
Es fing damit an, dass ich von der zugemüllten Onkel-Wohnanlage nach Hause kam, mich auf das Sofa fallen ließ und in einem Glücksratgeber schmökerte. Dieser behauptet, meine Wohnung sei der Spiegel meiner Seele. Heute weiß ich: Meine Wohnung ist nicht der Spiegel meiner Seele. Sie ist lediglich der Spiegel meines persönlichen, wenn auch eigentümlichen Geschmacks. Je mehr Chaos in meinen vier Wänden herrscht, so heißt es weiter, desto wirrer gehe es auch in meinem Innenleben zu. Dort, auf dem Sofa, lasse ich das Buch sinken und sehe mich um: Zwischen Sofa und vollgestopften Billy-Regalen lehnt ein windschiefer Stapel Zeitschriften, darauf ein paar CDs. Darüber hängt eine klägliche Hängepflanze von der Decke, die ich einfach nicht wegschmeißen kann, solange sie sich noch verzweifelt an ihr Leben klammert. Der Couchtisch quillt über vor Büchern, ausgeschnittenen Artikeln und Kugelschreibern, und unter ihm lugt ein halbes Hundespielzeug hervor. (Hat eigentlich schon jemand diese Firmen verklagt, die behaupten, ihr Hundespielzeug hielte ewig?) Auf dem Fernseher in der Ecke liegen ein paar Zeitschriften, daneben steht eine von diesen drachenverzierten Holzsäulen, die vor chinesischen Restaurants Wache halten – wo habe ich die eigentlich her? Und vor allem: Was sagt sie über mein Innenleben aus?
Laut Ratgeber hinterlässt jeder Bewohner in seinen Räumen unsichtbare Abdrücke, die wiederum Auswirkungen auf die nächsten Bewohner der Räume haben. Das könnte ja von Anne sein, denke ich und erinnere mich an die äußerst sichtbaren Abdrücke, die uns das Kind unserer Vormieter hinterlassen hatte: Kugelschreiberzeichnungen auf einem Meter Höhe in allen Räumen. Mit leichter Unruhe denke ich an den Wohnwagen des Onkels und seine Wäsche- und Müllberge und sehe mich in ferner Zukunft alt und zauselig zwischen Zeitschriften, CDs und der unkaputtbaren Hängepflanze am Boden hocken, um mich herum vier bis sechs Hunde mit Unterbiss. Nein, das wird mir nicht passieren. Ich blättere in meinem Ratgeber. Er rät zur Entrümpelung und sagt, dass alle Räume einen bestimmten Teil meines Lebens symbolisieren:
Der Keller: Vergangenheit und Unterbewusstes
Dachboden: Ideen und Zukunft
Abstellräume: persönliche Freiheit
Eingangsbereich: Verhältnis zu anderen Menschen
Türen: Offenheit
Wohnzimmer: Herz
Küche:
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