Das Glücksprojekt
Highlights.
Der Courtney-Love-Stil: Alle Dinge, die ich anziehe, wenn ich jünger, besser oder extravaganter scheinen möchte, als ich bin.
Der Date-Stil: Alles, was sexy, anliegend, transparent, schmeichelnd, kurz und tailliert ist. Eigentlich alles, was ich trage, wenn ich meinem Exfreund eins auswischen will.
Da finden Sie erst mal ein Kleidungsstück, das in keine dieser Kategorien passt! Ich räume schließlich alles, alles, alles aus dem Schrank aufs Bett. Das war eine andere Empfehlung – motivieren soll mich diese luftige Weite im Schrank. Stunden später sitze ich immer noch auf dem Bett inmitten eines riesigen Kleiderbergs und halte mal dieses und mal jenes Stück hoch. Wenn es stimmt, dass kurz vor dem Tod das Leben an einem vorbeizieht, dann müsste es mich jetzt vom Stängchen hebeln. Zu fast jedem Teil fällt mir eine Geschichte ein, eine Erinnerung. Daran, wie ich war, und vor allem, wie ich sein wollte. Wie soll ich das alles in Mülltüten stecken? Ich packe am Ende alle Kleidungsstücke mitsamt den Erinnerungen wieder säuberlich in den Schrank. Zufrieden, sie zu haben. Und schmeiße Hosen von L. weg.
Auch andere Empfehlungen kann ich nicht so richtig in die Tat umsetzen: Ein stummer Diener (diese altmodischen Kleiderständer) im Schlafzimmer soll den Sessel ersetzen, auf dem man immer seine Klamotten zwischenlagert. Weil Sessel und Stühle immer unter mehreren Kilo Kleidungsstücken begraben werden. Sie wissen schon: dieser Berg, auf den man abends seine Sachen schmeißt, um sie am nächsten Tag wieder anzuziehen. Aus ungeklärten Gründen wächst dieser Berg pro Tag um 1,5 Meter an. Das mag schon sein, denke ich, aber wenn ein stummer Diener in meinem Schlafzimmer steht, wo soll ich dann den Berg Kleidung hinlegen? Das wäre vermutlich irgendwann so wie mit dem Papierkorb im Büro: Man stapelt in die Höhe, bis nichts mehr draufpasst, und legt dann mit der Präzision eines Chirurgen immer noch etwas obendrauf, was dann einen balancierenden Stapel ergibt, dem man schlussendlich einen Namen geben kann. Außerdem soll ich den Fußboden (Finanzen) frei halten. Als Anregung wird auf die Shaker verwiesen, die einfach alles an die Wand gehängt haben, sogar ihre Stühle, wenn sie gerade nicht in Gebrauch waren. Ich muss zugeben: Die haben schöne Möbel gemacht, keine Frage. Aber wegen ein paar asketischer Häubchenträger hänge ich doch nicht meine chinesische Säule und das Hundespielzeug an die Wand.
Ich verweigere mich auf ganzer Linie. Ich glaube einfach nicht daran, dass es ein Zeichen dafür ist, dass meine Seele noch eine Aufgabe lösen muss, wenn im Keller besonders viele unaufgeräumte Sachen lagern. Für welche ungelöste Aufgabe meiner Seele sollen die verstaubten Einmachgläser stehen? Dafür, dass ich dringend etwas konservieren muss? Ich halte es auch für irrig, wenn jemand, der beruflich scheitert, sein Dachgeschoss dafür verantwortlich macht.
Das Simplify-Prinzip, das auf einem Überdruss an Überfluss fußt, zieht bei mir nicht. Zumindest nicht, was Dinge betrifft. Für mich ist weniger nicht mehr, für mich ist mehr mehr. Hätte ich viel Platz, ich hätte vermutlich einen eigenen Schrottplatz! Ich halte mich an das System: alles aufheben, vielleicht kann man es noch brauchen. Egal, wie verrostet, verbogen oder überflüssig. Es kommt immer der Moment, wo man genau das braucht, was man weggeschmissen hat. Meist tritt der ein, just wenn die Müllabfuhr mit dem Krempel außer Sichtweite ist. Während ich am Schreibtisch meinen Gedanken nachhänge, erscheint L. plötzlich im Türrahmen:
»Sag mal, Alex, hast du meine alten Lieblingshosen irgendwo gesehen?«
Mist.
Nachtrag
Ich habe das dann doch noch verstanden, und das ging so: L. und ich sind umgezogen. Während sich in der alten Wohnung die Kisten stapeln und wir nicht mehr wissen, was in welcher Kiste ist, und die Sätze fast alle beginnen mit: »Weißt du zufällig, wo …«, laden wir unsere Matratze, das Bettzeug, zwei Flaschen Wein, den Schmitz und zwei Gläser in den alten Kombi und ziehen schon mal voraus. Wir streichen durchs Haus, zeigen dem Hund den Garten und stellen uns unser Leben in dem neuen Haus vor. Als es dunkel wird, breiten wir die Matratze vor dem Kamin im leeren Wohnzimmer aus und machen ein Feuerchen, neben uns liegt zusammengerollt Schmitz. Ich sehe mich in dem leeren Zimmer um und fühle mich, als wäre ich wieder 18. Was braucht man denn schon wirklich? L. ist hier und Schmitz, ein Dach über dem
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