Das Glücksprojekt
unterscheiden, ob etwas lobenswert ist oder nicht. Wenn man dann wahllos mit Lob um sich schmeißt, wird es wertlos. L. ist nun schon einige Zeit über sieben Jahre alt, da brauche ich ihm nicht damit kommen, dass er sich schön angezogen hat. Ich meine, was mache ich als Nächstes? Ihm sein Schnitzel in mundgerechte Stücke schneiden und ihn füttern?
Auch widerstrebt es mir zu loben, um auf Händen getragen zu werden, also, um etwas zu erreichen. So wie ein Chef, der einen Kurs zur Mitarbeitermotivation macht. »Sehr gut, sehr gut, jaaa!«, fällt mir da wieder ein und ich muss schmunzeln. Nein, es soll schon echtes Lob sein. Ich müsse noch nicht mal große Reden schwingen, behauptet der Paartherapeut Ulrich Clement: »Es geht um die kleinen Anerkennungen im Alltag: Das hat mich gefreut. Das war sehr witzig. Schön, dass du eingekauft hast. Solche positiven Kommentare machen die Qualität von Paarbeziehungen aus.«
»Schön, dass du eingekauft hast«, empfange ich L., als er mit den Tüten in der Küchentüre steht. L. legt den Kopf schief und antwortet verwundert: »Ich kaufe doch immer ein?« Das war wohl nichts. Etwas später versuche ich es noch einmal: »Du hast schöne – ähm, Haare! Ich meine, einen guten Geschmack, was deine Frisur angeht.« Ich lächle L. krampfhaft ins Gesicht dabei, das nützt aber auch nichts.
»Alex, ich bin nicht gerade zufällig als Laborratte in dein Glücksprojekt geraten?«, rät er völlig richtig. »Doch«, gebe ich zerknirscht zu.
Am nächsten Abend sind wir bei Jana zum Abendessen eingeladen. Außer uns sind noch fünf oder sechs Leute da, wir sitzen recht gemütlich an ihrem großen Esstisch und reden bei Pasta, Salat und Rotwein angeregt durcheinander. L. sitzt auf der mir gegenüberliegenden Seite am Ende des Tischs. Ich lehne mich zurück und beobachte ihn, wie er entspannt mit Markus’ Freundin Sonja plaudert. Wie er lächelt und dabei sein Grübchen zum Vorschein kommt, wie seine Hände beim Reden gestikulieren, als er ihr etwas erzählt und sie damit zum Lachen bringt. Während Sonja lacht und L. nach seinem Glas greift, sieht er kurz über den Tisch zu mir hinüber und lächelt mich an. Dieser vertraute Blick, der mich sucht, der sich immer, egal, wo wir sind, versichert, dass es mir gut geht, das ist ein ganz besonderer Blick, der mich jedes Mal dahinschmelzen lässt. Schweigend und zufrieden gehen wir später nach Hause, es ist nicht weit zu Fuß und die Nacht ist warm. Unter dem Licht einer einsamen Straßenlaterne bleibe ich stehen. »L.?« Er dreht sich um, ich habe ihn aus seinen Gedanken geholt. »Hm?«
»Ich finde dich wundervoll.« L. zieht die Augenbrauen nach oben. »Soso«, sagt er amüsiert und nimmt meine Hand, um mich weiterzuziehen. Ich halte ihn zurück, seine beiden Hände liegen jetzt in meinen. »Nein«, sage ich ernst, denn dies ist kein Spaß. Es ist so ernst, wie es nur sein kann, wenn man sich verletzlich macht. »Ich finde dich wundervoll«, wiederhole ich. L. lächelt mich verlegen an und weicht meinem Blick aus. Ich gebe aber nicht auf. Ich lege seine Hände auf meine Brust. Wir sehen uns in die Augen und L. weicht meinem Blick nicht mehr aus.
»Ich«, setze ich an,
»finde«, und drücke seine Hände,
»dich«, krächze ich heraus,
»wundervoll«, flüstere ich.
Langsam nähert sich L.s Gesicht dem meinen und es folgt ein Kuss, an den ich mich immer erinnern werde. Machen Sie das. Ist viel besser als: »Du hast dich heute aber schön angezogen!«
Döff-Tage
Döff-Tage sind wahre Rettungsleinen. Sobald der Alltag (die Steuererklärung, der Einkauf, der Anruf bei der Mutter) die Romantik zu verschlingen droht, kann diese Leine gerissen werden. Das Tückische ist doch: Selbst wenn man so hervorragende Tipps berücksichtigt, wie zum Beispiel den anderen durch kleine Aufmerksamkeiten zu erfreuen, werden diese bei regelmäßiger Verabreichung selbst Teil des Alltags. Beispiel gefällig? L. ist, wie Sie bereits wissen, bei uns zu Hause für den Einkauf zuständig. Irgendwann hat er damit angefangen, mir von seinen Einkäufen kleine Geschenke mitzubringen. Nichts Großes, mal ein Überraschungsei, mal Blumen oder eine DVD, Kleinigkeiten, die er unterwegs findet. Die ersten paar Mal war ich aus dem Häuschen, die nächsten paar Mal habe ich mich gefreut, inzwischen ziehe ich einen mordsmäßigen Flunsch, wenn ich kein Mitbringsel in den Tüten finde. Was L. wiederum unter Druck setzt, dass ihm auch ja etwas für mich einfällt,
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