Das Glücksprojekt
selbst ein Kreis wird: Nur so wird es eine runde Sache und kann rollen. Und dann kann man sich mit einem anderen Kreis zusammentun. Festgehalten hat diesen Vergleich der wunderbare Shel Silverstein in seinem Buch MISSING PIECE trifft BIG O . Damit ist der Ratgeber Liebe dich selbst und es ist egal, wen du heiratest erledigt. Unsere Liebsten sind uns, wie gesagt, bei unserer Verwandlung zum runden Ganzen behilflich, weil sie uns immer wieder auf die Ecken, Kanten und Haken hinweisen, an denen es noch hapert. Auch wenn sie uns damit weiß Gott auf die Nerven gehen. Das ist unbequem und anstrengend, aber glauben Sie mir: Den Partner auszutauschen, hilft auch nicht, das habe ich schon probiert. Man stößt immer wieder auf die gleichen Probleme. Das ist das, was mit dem Satz »Liebe ist Arbeit« gemeint ist. Wenn man das mit den Dreiecken und den Kreisen einmal begriffen hat, ist das schon die halbe Miete. Ich persönlich habe überraschend lange für diese Einsicht gebraucht.
Dass ich L. trotzdem als Mr. Right bezeichne, liegt nicht daran, dass wir so gut zusammenpassen und sich daher meine Fehler in nichts auflösen. Er hat nur eine sehr nette Art, mich auf selbige aufmerksam zu machen. So arbeiten wir uns langsam vorwärts. Wir haben schon viel erreicht, ich meckere nicht mehr ständig herum, L. verträgt Kritik ein bisschen besser, ich bin geduldiger geworden und L. behält unser Konto mehr im Auge. Nur das mit den dreckigen Socken, das wird nichts mehr. Man muss auch wissen, wo beim anderen die Grenzen sind. Ich bin also alles in allem nicht unzufrieden mit meiner Liebessituation. Ich fühle mich noch mehr zu L. hingezogen als am Anfang und wir lachen viel miteinander, wir überraschen uns immer noch gegenseitig mit kleinen Aufmerksamkeiten, aber manchmal denke ich mir: Da geht noch was.
Als erster Schritt zu mehr Glück in der Liebe möchte ich eine Sache loswerden, die uns schon oft die Stimmung verhagelt hat und die mich ebenso stört wie L.: Ich bin rechthaberisch.
Nicht immer recht haben müssen
Sie kennen sicher diesen wunderbar weisen Spruch »Der Klügere gibt nach«. Das war mir schon im Kindergarten suspekt. Ich meine, wieso sollte der Klügere nachgeben? Fakt im Sandkasten war doch: »Der Schwächere gibt nach.« Weil er nämlich sonst eins mit der Schaufel auf die Omme bekommt. Infolgedessen waren die Versuche meiner Mutter, mit diesem Satz eine Versöhnung zwischen mir und Ines »Mongokopf« zu erreichen, nicht von Erfolg gekrönt. Meine Mutter, genervt: »Jetzt kommt schon, vertragt euch wieder.«
Ines, resigniert: »Na gut, was soll’s. Die Klügere gibt nach.«
Alex, bockig: »Ich geb’ aber nicht nach!«
An dieser Einstellung hat sich in den letzten Jahren nicht viel geändert. Ich weiß alles und ich weiß es besser. Vor allem besser als L. An den Rand des Wahnsinns treibe ich L. damit beim Autofahren. Ich weiß nämlich immer, wo es langgeht, ich bin das nervigste Navi der Welt. Anders als die Stimme in einem normalen Navi, die den Fahrer 100 Mal geduldig zurück zur Hauptstraße zu lenken versucht, werde ich bei Nichtbeachtung immer lauter und missstimmiger. Meine sanfteste Möglichkeit ist: »Ich glaube, es geht da lang.« Das mit dem »glaube« habe ich geschickt eingebaut, damit es diplomatischer klingt. Ist L. jedoch der Überzeugung, es gehe in die andere Richtung, und schlägt er diese ein, werde ich deutlicher: »Da lang!«, und deute mit dem Finger. Und wenn das immer noch nicht funktioniert? Dann erkläre ich, warum ich zu meinem Schluss komme und wie lange der Umweg sein wird, den wir jetzt machen müssen, nur weil ER nicht auf mich hört. Außerdem kann ich in diesem Moment noch mit den Augen rollen, sodass sie mir fast nach hinten in den Kopf fallen und mit verschränkten Armen beleidigt aus dem Fenster sehen. Stellt sich kurz darauf bedauerlicherweise heraus, dass L. mit seiner Route vollkommen richtigliegt, tue ich so, als wäre nichts, und bleibe misslaunig, damit er nicht auf die Idee kommt, seinen Triumph auszukosten.
Gut gemeinte Ratschläge meiner Mitmenschen winke ich von vornherein ab, und eine andere Meinung bedeutet in meiner Welt nicht die Chance auf einen anderen Blickwinkel, sondern ist eine ganz klare Herausforderung. Nicht, dass Sie glauben, mir macht das Spaß: Das ist sau-anstrengend. Vor allem weil ich permanent das Gefühl habe, ich müsste mich um alles selbst kümmern, weil es sonst niemand hinbekommt. Und so organisiere ich und plane und hetze mich ab
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