Das Glücksrezept - O'Neal, B: Glücksrezept - The Lost Recipe for Happiness
musterte. »Was soll das? Du glaubst doch nicht im Ernst, ich würde dich schlagen, verdammt! Los, geh Kirschen holen.«
»Ich habe nachgesehen, wir haben keine mehr.«
»Dann schick Julian los, er soll welche besorgen«, bellte Elena, die gerade eine Bestellung für sieben Gäste anrichtete. »Und bis dahin nehmen wir Paprikagelee als Ersatz. Los, weiter geht’s!«
»Aber davon ist auch nicht mehr viel da.«
»Es wird schon reichen, bis wir wieder Kirschen haben.«
Je später es wurde, umso mehr verebbte das Adrenalin in den Venen der Köche, Kellner und Helfer. Erschöpfung machte sich breit. Die Situation an der Spülmaschine wurde immer dramatischer. Im Minutentakt kamen die Kellner herein und riefen nach Geschirr, Gläsern oder Besteck. Irgendwann gingen den Köchen die Teller aus, so dass drei Gerichte zu spät serviert wurden. Elena stellte Tansy und Peter zum Geschirrdienst ab und bat Alan, ihr einen seiner Abräumer zu schicken. Doch auch das war keine Dauerlösung, denn in der Küche wurde ebenfalls jede verfügbare Hand gebraucht.
Die Lage verschärfte sich zusehends, wie Risse in einem Damm, die sich stetig vergrößerten, Zentimeter um Zentimeter, bis schließlich die Mauer nachgab, der Damm brach und das Wasser sich in einer Sturzflut ergoss. An diesem Abend war es die unselige Aufeinanderfolge aus fehlendem Personal an der Spülmaschine, was zu akutem Geschirrmangel führte, was wiederum den Unmut der Kellner heraufbeschwor und zu Verzögerungen beim Abholen der Gerichte führte. Das wiederum ärgerte die Köche und führte dazu, dass sie Druck machten, wo kein Druck herrschen sollte, mit dem Ergebnis, dass ein Gericht nicht servierbar war, was zu weiteren Verzögerungen führte und die Gäste dazu bewog, das Lokal hungrig und unzufrieden zu verlassen.
Als Resultat all dessen fühlte sich Elenas Körper zunächst angespannt an, und mit jeder weiteren Stunde wuchs der Schmerz in ihrer rechten Hüfte. Immer weiter kroch er aufwärts, über ihr Rückgrat, ihre Rippen bis zum Nacken und den Schultern und in Knie und Knöchel. Sie nahm vier Schmerztabletten auf einmal ein.
Die Kellner bissen die Zähne zusammen und bemühten sich nach Kräften, den Service aufrechtzuerhalten. Sie halfen Portia beim Geschirr und spendierten ihr alkoholfreie Piña Coladas und Cherry Cokes und versicherten ihr, wie
gut sie ihre Sache machte. Auch Julian trug seinen Teil bei, wenn auch vorwiegend durch seine bloße Anwesenheit. Er beschwichtigte die Gäste, gab Autogramme und versuchte, die Wogen zu glätten. Er lud die Gäste zu einem Drink ein, begrüßte, plauderte und unterhielt. Irgendwann kam er mit einer Runde Bier und Limonade an, später mit einer riesigen Portion Eiscreme aus der Eisdiele nebenan.
Irgendwann gingen ihnen die Zucchiniblüten aus, dann die Maispuffer, so dass sie sich mit Alternativen behelfen mussten.
Um neun Uhr abends waren alle ausnahmslos am Rande der Erschöpfung. »Wie sieht es draußen aus?«, fragte Elena einen der Kellner. »Lässt es langsam nach?«
Er schüttelte den Kopf. »Immer noch alles voll bis auf den letzten Platz.«
»Irgendjemand, der nach Kritiker aussieht?«
»Nicht dass ich wüsste, aber ich würde ihn ohnehin nicht erkennen«, antwortete er. »Dafür jede Menge Prominenz. Und Vorstandstypen mit ihren blutjungen Frauen. Mr Liswood wickelt sie alle um den Finger und macht gute Stimmung.«
»Gut.« Elena holte Luft und stürzte sich auf die nächste Bestellung.
Bei Tansy und Ivan setzten allmählich Entzugserscheinungen ein. »Tansy, gehen Sie eine Zigarette rauchen. Ivan, Sie gleich danach. Aber Beeilung.«
Endlich, um halb zwölf, waren die letzten Gäste bedient, abkassiert und nach draußen begleitet. Völlig erschöpft begann die Küchencrew, das Chaos zu beseitigen, zu putzen und aufzuräumen. Zwischen der Musik, dem Klappern von Töpfen und dem Rauschen der Spülmaschine herrschte Schweigen, eine Stille der Erschöpfung und der Furcht, dem Wissen
darum, wie viel Geschirr zu Bruch gegangen war, wie knapp die Vorräte und wie frustriert die Kellner gewesen waren. Elena, selbst am Rande des Zusammenbruchs, begann beim Anblick der fahlen Gesichter ihrer Leute, die Reste des Zwiebelkuchens und der Taquitos auf Teller zu häufen und Tansys hervorragende Tortillas mit den letzten Rindfleischstreifen zu füllen. Auf einem Tablett arrangierte sie Churros, Sopapillas und Baklava.
»Los, Leute«, sagte sie, stellte jedoch fest, dass sie vor Heiserkeit kaum mehr
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