Menge Hilfe. Sich allein zu versorgen wäre ausgeschlossen.
An diesem Tag kehrte sie zu Julian zurück, schloss sich im Turmzimmer ein und weinte. Um sich von ihren Schmerzen zu befreien, würde sie sich von ihrer Küche verabschieden müssen. Wie sollte sie diese Wahl treffen? Um sich von ihren Schmerzen zu befreien, wäre sie auf Hilfe anderer angewiesen, müsste ihre Schwäche zeigen.
Vielleicht, dachte sie, lag es an der extremen Kälte. Vielleicht machte sie alles so schlimm. Wenn es erst wärmer wurde, würde auch sie sich wieder besser fühlen. Also schluckte sie weiter Medikamente, vereinbarte Massagetermine für nahezu jeden Tag und verbarg ihre Schmerzen vor allen anderen. Ihre Steifheit zu verbergen, erwies sich allerdings als nicht ganz so einfach und war ihr höchst peinlich.
Vielleicht, dachte sie immer häufiger morgens beim Aufstehen, sollte sie sich der Operation ja doch unterziehen. Ivan war verlässlich. Er könnte die Küche leiten – besonders wenn sie ihm erlaubte, Dag vor die Tür zu setzen – und würde ihr nicht in den Rücken fallen. Vielleicht könnte sie zu Patrick ziehen oder eine Pflegerin engagieren. Feststand, dass sie nach dieser ominösen Operation nicht bei Julian leben konnte. Sie ertrug die Vorstellung nicht, dass er sie so angeschlagen sah.
Aber die Entscheidung wurde ihr ohnedies abgenommen, denn am 15. Januar erhielt sie eine Mail von Dmitri.
An:
[email protected] Von:
[email protected] Betreff: Autsch!
Ich habe die Ohrfeige von Bok gesehen. Und ich habe gehört, du hattest Ärger mit der Steuerbehörde, was niemand vorhersehen kann. Üble Sache.
Aber es gibt auch gute Nachrichten – wärst du damit einverstanden, ein Interview in meiner Fernsehsendung zu geben? Wir sind Ende Januar in Aspen, um für die Sondersendung zum Valentinstag zu drehen: Aspen für Verliebte .
Julian Liswood hat mich immer fair behandelt, und ich würde das Orange Bear gern vorstellen, und dich natürlich auch, mit deinem herrlichen Mund.
Ciao,
Dmitri
Natürlich, dachte sie. Natürlich. Weil sie ja keinen verdammten Augenblick in Ruhe leben durfte. Am liebsten hätte sie mit der Faust auf den Bildschirm eingeschlagen. Stattdessen begann sie zu schreiben.
An:
[email protected] Von:
[email protected] Betreff: re: Autsch!
Dmitri! Was für eine Überraschung – du musst außer dir vor Freude sein, diese Sendung machen zu dürfen! Es ist genau das Richtige für dich (erinnerst du dich an diese Reporterin aus Vancouver, die dich als russischen Mick Jagger der Gastronomie bezeichnet hat?).
Natürlich würde ich mich rasend gern von dir interviewen
lassen. Sag Bescheid, wann du kommst! Du erreichst mich unter 970-555-4398 oder mobil unter 970-555-0936. Wenn es irgendetwas gibt, womit ich dir den Aufenthalt angenehmer machen kann, lass es mich wissen. Ich freue mich sehr darauf, dich wiederzusehen.
Herzliche Grüße,
Elena
Ehe sie einen bissigen Seitenhieb hinzufügen konnte, drückte sie auf »Senden«.
Sekunden später kam seine Antwort.
An:
[email protected] Von:
[email protected] Betreff: re.: re.: Autsch!
Sehr gut. Wir kommen am 28. Januar an und bleiben bis 1. Februar. Rufe dich aber vorher noch an, um die Details zu besprechen.
Ciao,
Dmitri
Ivan hatte das Gefühl, als schwebe ein Amboss über seinem Kopf. Dags Gegenwart war eine nicht enden wollende Provokation, da er ununterbrochen versuchte, mit Patrick zu flirten. Zwar ignorierte Patrick ihn normalerweise, trotzdem gelang es Dag immer wieder, seine Aufmerksamkeit zu erregen, beispielsweise als er eines Sonntagnachmittags – der Sonntag war traditionell ein eher ruhiger Tag, da das Restaurant am Montag geschlossen blieb – zum Geburtstag eines der Mitarbeiter Blinis zubereitete. Er servierte sie mit Kirschen, prall, rot und sündig, und einer Creme aus Ricotta und Zitronenschaum.
Patricks Augen weiteten sich, als er sich den ersten Bissen in den Mund schob, und er starrte Dag fassungslos an. »Köstlich!«, schwärmte er. »Bitte, ich hätte gern noch mehr.«
Mit seinem typisch lässigen Lachen gab Dag noch mehr Blinis auf einen Teller und zwinkerte Ivan zu. »Für dich auch, Rasputin?« Der Spitzname war Ivan geblieben, und Ivan mochte ihn eigentlich recht gern, doch er weigerte sich, etwas anzufassen, das aus Dags Händen stammte. Innerlich vor Wut schnaubend, verdrehte er nur die Augen und