Das Glücksrezept - O'Neal, B: Glücksrezept - The Lost Recipe for Happiness
in dieselbe Klasse und liehen sich gegenseitig die Klamotten aus. Abends, wenn Elena sich vor Heimweh in den Schlaf weinte, kuschelte sich Isobel an sie, strich ihr übers Haar und flüsterte ihr tröstliche Worte auf Spanisch ins Ohr. Schlaf, kleines Mädchen. Du bist jetzt in Sicherheit . Worte, die Elena damals noch nicht verstehen konnte.
Die zweite Quelle der Freude war Mama, Maria Elena, die ihrer kleinen Namensvetterin eine dünne Baumwollschürze umband und sie neben sich auf einen Stuhl stellte, wenn sie für die Großfamilie kochte. Sie solle sie Mama nennen, sagte sie zu Elena. Sie ließ das kleine Mädchen Mehl abmessen, Tortillas kneten und den Eintopf umrühren. Und auch in ihrer Gegenwart fühlte Elena sich sicher.
War es da verwunderlich, dass sie ihre Leidenschaft fürs Kochen entdeckte und sie zu ihrem Beruf machte?
Als Erstes ging Elena durch die am äußeren Rand gelegenen Gänge des Supermarkts, um einen Eindruck von seiner Größe zu bekommen. Wie erwartet, war er riesig, hell erleuchtet
und blitzsauber, mit einem Warenangebot, das keine Wünsche offenließ – eine sensationelle Bäckerei, eine eindrucksvolle Auswahl an Delikatessen und eine Obst- und Gemüseabteilung mit Ruccola, blauen Fingerlingkartoffeln und riesigen, prallen Trauben.
Zu ihrer Überraschung stieß sie auch auf einen Gang mit einer ganzen Palette an mexikanischen Lebensmitteln: getrocknete Chilis in den verschiedensten Varianten – große, kleine, in Dosen und in Essig eingelegte -, Masa, eine Maismehlsorte, Maiskolben, Gewürze und was das Herz sonst noch begehrte. Wie seltsam, dass eine so wohlhabende Enklave wie Aspen eine derartige Auswahl an mexikanischen Lebensmitteln bot, dachte sie, bis sie einen dunkelhäutigen, kleinen Mann in Karohemd und Jeans entdeckte, der ein abgepacktes Huhn auf die Waage legte.
Natürlich. In einem Ferienort wie diesem wurden jede Menge Bauarbeiter, Reinigungspersonal, Köche, Gärtner und sonstige Hilfskräfte gebraucht, die die lateinamerikanischen Einwanderer in jeder erdenklichen Form zur Verfügung stellten – legal, mit Greencard, oder auch ohne.
Genau dort, in diesem strahlend hellen Supermarktgang, während aus den Lautsprechern leise Rockmusik dudelte, war sie ihrer Heimat näher als in den vergangenen zwanzig Jahren. Einen Moment lang spürte sie, wie die geschlängelte Linie, ihre Geschichte, auf ihrem Rückgrat brannte, als erwache sie zum Leben, ein Blitz aus weißem und orangem Licht. Doch inmitten dieses hell erleuchteten Supermarkts mit der endlosen Auswahl heimischer Leckereien fühlte sie plötzlich eine tiefe Leere in sich, ein Gefühl der Furcht, und sie fragte sich, ob es ein Fehler gewesen war, herzukommen.
»Koch einfach, Elena«, sagte Isobel, deren zarte, schlanke Mädchenarme an den Seiten herabhingen, »koch einfach die Suppe.«
»Morgen Abend muss ich für Julian kochen.« Elena wagte einen Blick über ihre Schulter. Niemand da. »Ich weiß nicht, was ich machen soll.«
»Er will deine Lieblingsgerichte.« Isobel fuhr mit den Fingern über die Posole-Päckchen und die gelben Kartons mexikanischer heißer Schokolade. »Mach das, was du am besten kannst.«
Elena nahm ein Päckchen Posole aus dem Regal und legte es neben das Maismehl. Kochen. Einfach nur kochen. Nicht an die Kritiker denken, die wie knopfäugige Krähen dasaßen und nur darauf warteten, dass sie versagte. Nicht an Dmitri denken, an ihre Niederlage und an die Tatsache, dass Julian Liswood vielleicht einer der …
Egal.
Sie hatte keine andere Wahl. Das Restaurant war die Chance, auf die sie die letzten zwanzig Jahre hingearbeitet hatte. Und genau dafür würde sie kochen. Dafür würde sie an einem neuen Ort von vorn anfangen, sich ein neues Zuhause schaffen.
Und zum Einstieg würde sie kochen.
Großmutter Maria Elenas Posole
2 Tassen Posole (getrocknetes Maismehl)
2-3 Pfund Schweineschulter
½ Tasse milde grüne Chilischoten, geröstet, geschält, ent-
kernt und in Stücke geschnitten
2 Knoblauchzehen, in dünne Scheiben geschnitten
1 Zwiebel, klein gehackt
1-2 geschälte, entkernte Tomaten
¼ Tasse frisch gehackter Koriander
Salz
Posole mit kaltem Wasser übergießen, bis das Wasser klar bleibt. Über Nacht einweichen.
Großen Topf mit wenig Wasser aufsetzen, Salz und Pfeffer beigeben, dann das Schweinefleisch bei niedriger Hitze 2-3 Stunden köcheln lassen, bis es zerfällt. Die Fleischstücke herausnehmen, das ausgelassene Fett im Topf lassen. Zwiebel und Knoblauch darin
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