Das Glücksrezept - O'Neal, B: Glücksrezept - The Lost Recipe for Happiness
Reglosigkeit verdammt.
Mit geschlossenen Augen lag sie auf der Seite. »Scheiße«, sagte sie laut.
Im Lauf der Jahre hatte sie sich angewöhnt, sich in diesen Momenten einfach zu verkriechen. Sie schleppte sich in die nächste heiße Badewanne oder griff zum Tequila. Ein tiefes Gefühl der Scham erfasste sie, wenn jemand sie so sah, gebeugt und bucklig wie eine Greisin.
Heute Morgen hatte es wenigstens keine Zeugen für ihren Kampf gegeben. Wirbelsäule, Hüften, Schultern – alles hatte bei der geringsten Bewegung rebelliert, als hätte jedes noch so winzige Knöchelchen ihres Körpers Rost angesetzt, Hüften, Schultergelenk, Schulterblätter. Die Muskeln fühlten sich wie ausgeleierte Gummis an.
»Alvin«, schrie sie, und allein ihr Tonfall verriet ihm, was sie brauchte. Er tappte an die Seite des Bettes und lehnte sich dagegen. Langsam streckte Elena die Hand aus und benutzte seinen kraftvollen Körper, um sich hochzustemmen und unter den schützenden Decken hervorzuschälen, Zentimeter für Zentimeter. Er stand geduldig da, froh, seinem geliebten Frauchen zu Diensten sein zu dürfen.
Es trieb ihr jedes Mal die Tränen in die Augen. Wie hatte sie so lange ohne einen Hund, diesen Hund, leben können?
Sie hievte sich in eine hockende Position, dehnte den unteren Rücken, was ebenfalls nicht ohne Schmerzen vonstatten ging. Mittels Yoga-Atmung arbeitete sie sich durch diesen Prozess, bis sie endlich aufrecht stehen konnte. Dann humpelte sie ins Badezimmer und ließ siedend heißes Wasser in die Whirlpoolwanne laufen. Alvin trottete neben ihr her und sah besorgt zu ihr auf.
»Ist schon gut, Schatz«, sagte sie dankbar.
Die Wanne entpuppte sich als zu hoch, um bequem hineinsteigen zu können. Sie versuchte es. Zwei Stufen hinauf, sich gegen den Rand lehnen, dann ein Bein heben -
Nie im Leben. Sie kam sich vor eine Neunzigjährige, als sie das große rote Handtuch vom Halter nahm, es um sich
schlang und sich auf die Stufe setzte. Alvin trat neben sie und lehnte sich gegen ihr Schienbein.
Keine Tränen , sagte sie sich und biss die Zähne zusammen.
Sie sammelte ihre Kräfte, fuhr mit den Fingern durch Alvins Fell, über seine weichen Ohren und überlegte, was sie als Nächstes tun sollte. An diesem Nachmittag fand das erste Gespräch mit der Küchencrew statt, bei dem sie einen guten Eindruck machen musste.
Eine Dusche – vielleicht therapeutisch nicht so wertvoll wie ein heißes Bad, aber die Wärme würde gewiss ein wenig helfen, außerdem war es eine Luxusdusche mit eingebautem Sitz und in der Wand installierten Düsen, die aus sämtlichen Richtungen Wasser spendeten. Noch immer unfähig, sich vollständig aufzurichten, drehte sie die Hähne auf.
An der Wand war ein Schild angebracht: Um Mr Steam zu benutzen, drehen Sie den Schalter auf der rechten Seite auf und warten einen Moment .
Mr Steam? Dampf?
Elena folgte den Anweisungen. Hinter der Wand begann Wasser zu gurgeln. Nach einer Minute drang warmer Dampf aus den Düsen und füllte die verglaste Duschkabine. Sie humpelte hinein, zog die Tür hinter sich zu und setzte sich hin.
Der Himmel auf Erden.
Als sie endlich herauskam, fühlten sich ihre Glieder noch ein bisschen steif an, aber durchaus funktionsfähig. Am liebsten hätte sie Julian Liswood ein Liebesgedicht geschickt.
Kurz vor Mittag fuhr Patrick in einem schwarzen BMW-Cabrio vor, das er in Denver gemietet hatte. »Passt zu dir«, bemerkte Elena und hielt ihr Haar mit beiden Händen fest im Nacken, um zu verhindern, dass es als Knotengewirr endete.
Völlig ungerührt neigte er den Kopf. »Ich weiß.«
Sie lachte. Patrick war das schwarze Schaf einer amerikanisch-irischen katholischen Geldadelsfamilie, dessen erstklassige Herkunft sich in seinem gepflegten Äußeren zeigte. Sein blondes Haar war mit viel Hingabe geföhnt und gegelt, die Haut so weich und makellos wie die eines Kleinkindes, außerdem umgab ihn stets ein Hauch Arroganz. Er erinnerte Elena an die preisgekrönten Gockel auf der Landwirtschaftsausstellung, mit prächtigem Gefieder und stolz geschwellter Brust: Er war in Boston aufgewachsen, in Paris hatte er sein Handwerk erlernt, in New York seine Fähigkeiten unter Beweis gestellt – Patrick war der Experte unter den Experten, wenn es darum ging, Atmosphäre zu schaffen und ein Essen für einen Gast zu einem gastronomischen Fest zu machen. Elena vertraute ihm voll und ganz.
Er hielt nicht viel von überschwänglichen Gefühlsausdrücken, deshalb drückte sie nur seinen
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