Das Glücksrezept - O'Neal, B: Glücksrezept - The Lost Recipe for Happiness
betrachtete die Zutaten,
versuchte, alle Gedanken beiseitezuschieben, während die Farben, Gerüche und Konsistenzen der Lebensmittel auf sie einströmten, sich vermischten. Sie öffnete das Honigglas, aus dem ihr der Duft nach einem englischen Sommernachmittag entgegenströmte. Summende Bienen, dick und träge, zarte Rosenblätter und kerniges Shortbread bei einer Tasse Earl Grey. Als Nächstes öffnete sie eine der Limonadenflaschen und nippte daran, ließ die Flüssigkeit wie Wein in ihrem Mund herumrollen, nahm Spuren von Mango und Zitrone wahr, was gut mit dem Granatapfel und – sie kniff die Augen zusammen, Schweinefleisch? – harmonieren würde. Genau. Gegrillte Schweinswürstchen mit Zwiebeln und anschließend in der Limonade und mit Granatapfel gegart. Und das Ganze in einem krossen Pastetenteig, nach englischer Art. Als Dessert Shortbread-Kekse mit kandierten Rosenblüten und Rosenwasser. Vorab eine leichte Vorspeise. Was sollte sie mit dem Mais anstellen?
Igitt. Sie würde darüber nachdenken, während sie den Pastetenteig knetete.
Hinter ihrem Haus in Española hatte eine Garage gestanden, die Ende der Sechziger zum Pokerraum umfunktioniert worden war. In der Mitte stand ein großer runder Tisch, darum herum ausgemusterte Küchenstühle aus Chrom und Vinylbezug. Ein alter Kühlschrank, ein schwerer Vorhang und dazu der schale Gestank von einer Million Zigaretten und tausenden Zigarren an den unverputzten Wänden.
In dieser Garage pokerten Männer bei Bier und Tequila und Whiskey um ihr Leben. Immer Männer, niemals Frauen. Nie eine Frau, auch wenn manchmal welche an den Seiten saßen, herausgeputzt, in Sonntagskleidern, mit viel Dekolleté und stark geschminkten Augen.
Aber auch in diesem Bereich hatte Isobel den Ehrgeiz entwickelt,
so gut wie jeder Junge zu sein, und wollte um jeden Preis pokern lernen. Sie lag Edwin ständig in den Ohren, es ihr zu zeigen. Also brachte er es ihnen an langen Sommernachmittagen bei, während sie unter einer alten Pappel Schutz vor der sengenden Sonne fanden, deren Blätter in der sanften Brise rauschten.
Isobel war zu ungeduldig, um eine gute Pokerspielerin zu werden, aber Elena, die so viel Zeit damit verbracht hatte, die Verhaltensweisen der anderen zu studieren und aufmerksam zu verfolgen, was in einem Raum voll gefährlicher Wildfremder passieren konnte, erwies sich als ausgezeichnete Spielerin. Edwin war so stolz auf sie, dass er sie sogar manchmal mitnahm und sie mit den Jungs spielen ließ.
Von allem, was sie in ihrem Leben gelernt hatte, war Pokern das Training, das ihr am meisten dabei nützte, sich als Frau in den Küchen dieser Welt zu behaupten. Es hatte ihr zu stählernen Nerven verholfen und sie in der Kunst des Bluffens gestählt. Und sie konnte gewaltige Mengen trinken. Heute Abend, in dieser Küche, würde sie ihr Ass ausspielen. Sie schob ihre Schweinepastete in den Ofen und sah zu Ivan hinüber. Er tanzte zu seiner eigenen Musik, schnippelte, hüpfte herum und summte. Als er ihren Blick auf sich spürte, hob er den Kopf und winkte ihr zu.
»Juan«, sagte sie. »Wir brauchen Tequila und zwei Gläser.«
Er kniff die Augen zusammen. »Sind Sie sicher, dass das eine gute Idee ist?«, fragte er auf Spanisch.
Sie wischte die Arbeitsfläche ab. »Bin ich.«
Als er die Flasche brachte, ging ein Raunen durch die versammelte Menge. Einer der Jungs schob sich die Hände unter die Achselhöhlen. »Auf geht’s, Chef!«
Ivan kam herübergeschlendert und wischte sich die Hände an einem weißen Küchentuch ab, die auf dem Tresen aufgestapelt
lagen. Seine Augen funkelten türkisblau unter den schweren Lidern. »Möge der bessere Mann gewinnen«, sagte er und hob sein Glas.
»Der mit den meisten huevos «, bestätigte sie, woraufhin Ivan leise lachte.
Sie kippten den Tequila hinunter, dann noch einen, und kehrten an die Arbeit zurück. Ivan hatte den ganzen Abend ein Bier neben sich stehen, aber obwohl sie ihn anstachelte, trank er nicht so viele Tequilas, wie Elena sich gewünscht hatte. Es dauerte eine ganze Weile, bis es ihr dämmerte – immer wieder wanderte sein Blick zur Tür. Er hoffte, dass Patrick kam.
Sie versuchte, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren, doch beschäftigte Hände gaben den Gedanken die Gelegenheit, auf Wanderschaft zu gehen. Immer wieder sah sie das Bild vor sich, wie Julian sich vorbeugte und sie küsste. Seine Hände um ihr Gesicht, seine dunklen Wimpern, deren Schatten auf seine ausgeprägten Wangenknochen fiel, das
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