Das Gluehende Grab
Taschenlampe wurde es
wesentlich heller. Richtig, der kupferfarbene Fischtöter war
mit schwarzen Flecken übersät.
»Sieht
aus wie Blut«, sagte Dóra nachdenklich. Bella trat
näher, um das Werkzeug besser sehen zu können.
Plötzlich schrillte Dóras Handy, und Bella stieß
einen Schrei aus. Dóra hätte es ihr fast gleichgetan.
Sie tastete nach dem Handy. »Dóra«, sagte sie
scheinheilig. Hoffentlich war es niemand von den
Westmännerinseln, der fragte, wo sie sich gerade
aufhielt.
»Hallo,
hier ist Dís aus der Arztpraxis«, klang es vom anderen
Ende der Leitung. »Ich habe ein kleines Problem mit deinen
Nachforschungen.«
»Aha?«
Dóra war überrascht und gleichzeitig froh, dass sie
sich keine Ausrede einfallen lassen musste.
»Ich
dachte, du könntest mir vielleicht helfen. Ich ... brauche
einen Anwalt.«
30
SONNTAG
22. JULI 2007
Dóra
starrte auf das Blatt vor ihr. Es war noch keine acht Uhr. Sie war
selten so früh auf den Beinen, aber unternehmungslustige
Touristen hatten sie mit ihrem Getöse im Flur gegen sieben Uhr
geweckt, und sie konnte nicht wieder einschlafen. Sie hatte schnell
geduscht und sich an den kleinen Schreibtisch im Hotelzimmer
gesetzt, um den Fall noch einmal durchzugehen. Das gestrige
Telefonat mit der Schönheitschirurgin hatte die Sachlage nicht
gerade vereinfacht. Dís hatte erzählt, sie verfüge
über Informationen, die für die Polizei wichtig
wären. Aus eigenem Interesse müsse sie sich jedoch vorher
mit einem Anwalt beratschlagen. Dóra hatte Dís
erklärt, dass sie sie leider nicht beraten könne, da sie
Markús’ Anwältin sei, und ihr vorgeschlagen, mit
ihrem Kollegen Bragi zu reden. Dóra hatte später am
Abend noch einmal mit Bragi gesprochen, und er hatte ihr
mitgeteilt, sie solle sich darauf vorbereiten, dass in Kürze
neue Erkenntnisse im Fall Markús zu erwarten seien. Mehr
hatte er dazu nicht gesagt, und Dóra war klar, dass sie
nicht mehr erfahren würde. Er musste seiner Mandantin
Vertraulichkeit zusichern. Dóra hatte Bragi gefragt, ob die
besagten Erkenntnisse gut oder schlecht für Markús
wären, woraufhin Bragi lange überlegt und am Ende gesagt
hatte, er wüsste es einfach nicht. Wenn er gezwungen
wäre, Position zu beziehen, würde er sagen, eher gut als
schlecht.
Dóra
wandte sich wieder ihrem Zettel zu und verscheuchte die {271
}Gedanken an Dís und deren geheimnisvolle Erkenntnisse. Sie
zückte den Stift. Welche Dinge, die sie herausgefunden hatte,
waren mit dem Fall verknüpft und welche nicht? Sie sortierte
die Ereignisse chronologisch und überflog dann noch einmal
ihre Notizen.
Ein
beschädigtes Segelboot kommt am 19. Januar zu den
Westmännerinseln, wird am Kai vertäut, später an
einen anderen Platz verlegt und verlässt den Hafen nachts
wieder. Paddi sieht es wegfahren.
Jugendliche,
darunter Alda und Markús, betrinken sich am selben Abend bei
einem Schulfest. Magnús holt seinen Sohn Markús ab,
Alda geht vermutlich zu Fuß nach Hause. Alda stößt
etwas Schlimmes zu, wovon sie vage in ihrem Tagebuch
berichtet.
Markús’
Vater Magnús und Daði werden in der Nacht am Hafen
gesehen.
Am
nächsten Morgen findet man sehr viel Blut an der Stelle, wo
das Segelboot ursprünglich lag.
Der Polizist
Guðni wird gerufen. Er wird über Daðis Anwesenheit im
Hafen unterrichtet, aber nicht darüber, dass Magnús bei
ihm war.
Daði
bestreitet, etwas Ungesetzliches getan zu haben und behauptet,
nichts von dem Blut zu wissen.
Vier
Männer, wahrscheinlich Engländer, werden zu Tode
geprügelt – Zeitpunkt unklar.
Leifur kommt
nach Hause auf die Insel, um seinem Bruder die Leviten zu
lesen.
Alda gibt
Markús eine Kiste und bittet ihn, sie für sie zu
verstecken. Das Mädchen ist
aufgewühlt.
In
der Nacht bricht der Vulkan aus.
Die Einwohner
werden evakuiert, u.a. mit Fischkuttern. Alda fragt Markús,
was er mit der Kiste gemacht hat. Er sagt es
ihr.
Magnús
und sein Kompagnon þorgeir, Aldas Vater, fahren zurück
auf die Insel, um ihre Besitztümer zu retten. Magnús
räumt sein Haus zu einem großen Teil aus, aber nicht den
Keller.
Alda zieht mit
ihrer Mutter und ihrer Schwester in die Westfjorde, wo sie
angeblich das Gymnasium in Ísafjörður besucht
– merkwürdigerweise eine Klasse höher als vorher.
In der Schule weiß niemand davon.
Markús’
Mutter zieht mit den Kindern nach
Reykjavík.
Valgerður
und Daði ziehen in die Westfjorde, in die Nähe von
Hólmavík. Dort bekommen sie endlich ein Kind.
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