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Das Gluehende Grab

Das Gluehende Grab

Titel: Das Gluehende Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardottir
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waren.
Vereinzelt wurden Todesfälle oder Verschollene erwähnt,
aber nie eine Gruppe, immer nur Einzelpersonen. Es schien
unwahrscheinlich, dass die Leichen im Keller nicht irgendwie
zusammengehörten.
    Dóra
blätterte auch das Jahr 1972 durch. Möglicherweise waren
die Männer schon gestorben, bevor der Vulkan ausbrach. Sie
dachte lieber nicht darüber nach, wo die Leichen in der
Zwischenzeit gewesen sein könnten. In diesem Jahr war genauso
wenig zu finden wie 1973. Dóra stieß zwar auf ein Foto
von einem Schiffsuntergang, und in dem dazugehörigen Text
stand, man sei zunächst von einem Minenunglück
ausgegangen; bei der weiteren Untersuchung stellte sich jedoch
heraus, dass die Eigentümer des Schiffes den Frachtraum mit
Dynamit gesprengt hatten. Versicherungsbetrug. Bei dem Vorfall war
niemand umgekommen oder verschwunden.
    Ein Eintrag
über achtzig britische Trawler, die mit voller Fahrt {56 }auf
die isländischen Fischgründe zusteuerten, klang
vielversprechend. Das war Ende August 1972, ein bisschen früh,
aber es waren viele Personen beteiligt, sodass vielleicht vier von
ihnen unbemerkt verschwunden sein könnten. Der Text beschrieb
die Konflikte der Beteiligten während des Kabeljaukriegs. Ein
britischer Trawlerkapitän erklärte, wenn die
Isländer versuchen würden, ein britisches Schiff
außerhalb der Zwölf-Meilen-Grenze zu entern, würden
sie mit kochendem Wasser und Pfeffersäcken begrüßt.
Dóra fand Pfeffer zwar weniger schlimm als kochendes Wasser,
aber das Zitat ließ zumindest darauf schließen, dass
man vor Körperverletzung nicht zurückschreckte.
    Die
Lektüre brachte Dóra nicht viel weiter, als dass der
Fall vage mit dem Kabeljaukrieg zu tun haben könnte. Sie
schlug das Buch zu und machte sich daran, ihre Reisetasche für
die Westmännerinseln zu packen.
     
     
     

7
    SONNTAG
15. JULI 2007  
    Dóra
machte es sich auf dem Platz neben Bella bequem. Sie war froh, dass
der Flug nur eine halbe Stunde dauerte, denn Bella redete ohne
Punkt und Komma. Man hätte meinen können, sie wollte
Dóra beauftragen, die Regierung wegen des Rauchverbots in
öffentlichen Gebäuden zu verklagen. Dóra
lächelte nervös und traute sich nicht, Bella auch nur
ansatzweise zu widersprechen. Sie nickte sogar, als die
Sekretärin erklärte, nach der Einführung des
Rauchverbots in Flugzeugen seien viele Fluggäste auf
Langstreckenflügen erkrankt, weil die Luft an Bord viel
seltener ausgetauscht würde. Anstatt Rauch einzuatmen, atmeten
die Passagiere nun die Bazillen von irgendwelchem Pack ein, das
laut Bella sogar Ebola oder Vogelgrippe haben könnte.
Dóra bezweifelte, dass solche Patienten oft auf die
Westmännerinseln flogen, versuchte aber trotzdem, weniger zu
atmen. Als sie gelandet waren, genoss sie die leichte Brise, die
durch die offene Flugzeugtür hineinströmte. Bella hastete
an Dóra vorbei und aus dem Flughafengebäude hinaus, um
eine zu rauchen.
    »Also
dann«, Dóra war mit den Taschen im Schlepptau bei
Bella angelangt, die neben einem Aschenbecher stand und ihre
Zigarette genoss, »sollen wir uns ein Taxi nehmen?« Sie
schaute in alle Richtungen. Kein Taxi in Sicht. Dóra war
nicht gerade begeistert, als sie feststellte, dass die meisten
Mitreisenden zu Fuß in Richtung Ortschaft losmarschierten.
Gab es auf der Insel überhaupt {58 }keine Taxis? Als sie
gerade kehrtmachen und im Flughafen nachfragen wollte, hielt ein
nagelneuer Range Rover direkt neben ihnen. Dóra hatte
kürzlich gehört, was so ein Wagen kostete – es war
so viel, dass sie immer noch der Meinung war, es müsse sich um
ein Missverständnis handeln. Die dunkle Fensterscheibe senkte
sich, und ein Mann mittleren Alters beugte sich aus dem offenen
Fenster und sprach sie an.
    »Bist du
Dóra?«, sagte er mit tiefer Stimme zu
Bella.
    »Nein,
das bin ich«, antwortete Dóra hastig. Sie hielt sich
zwar nicht für eine Schönheitskönigin, aber zwischen
ihr und Bella bestand doch ein himmelhoher Unterschied. Dóra
sah gepflegt aus, trug Jeans und eine sportliche, viel zu teure
Outdoorjacke, während die Sekretärin eher den Eindruck
erweckte, die neueste Mode aus der Kleiderkammer der Heilsarmee
aufzutragen. Zu allem Überfluss hatte sich das Mädchen
geschminkt wie ein Vampir. Dóra ging zum
Wagen.
    »Guten
Tag«, sagte der Mann und öffnete die Beifahrertür.
»Ich heiße Leifur, Markús’ Bruder. Er hat
mich angerufen und mir gesagt, dass du kommst – da dachte
ich, ich hole dich ab.«
    »Vielen
Dank. Ich habe meine Sekretärin

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