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Das Gluehende Grab

Das Gluehende Grab

Titel: Das Gluehende Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardottir
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Sekretärin versuchte
nicht, Dóra wieder einzuholen, daher gingen sie mit einem
gewissen Abstand hintereinander her zum Hafenbüro. Dóra
legte sich währenddessen zurecht, was sie diesen Kjartan
Helgason fragen wollte. Er war damals zur See gefahren, arbeitete
aber inzwischen als Hafenwärter. Kjartan war ein Freund von
Markús’ Vater gewesen und angeblich überaus
mitteilsam. Vielleicht konnte Kjartan einen Hinweis auf die
Identität der Männer im Keller geben und Dóra auf
eine heiße Spur bringen. Sie wusste, dass die Polizei
fieberhaft recherchierte und natürlich Kontakte hatte, mit
denen Dóra nicht mithalten konnte.
    Kjartan nahm
sie auf dem Gehsteig vor dem Hafenbüro in Empfang. Er stand
dort mit einem jüngeren Mann und rauchte. Als Dóra auf
ihn zukam, stellte er sich vor und schüttelte ihr fest die
Hand. Er schien kurz vor der Pensionierung zu stehen; sein
schlohweißer Schopf war nur von ein paar dunklen
Haarsträhnen durchzogen. Als er vor ihnen her ins Haus ging,
hinkte er leicht und erzählte, dies rühre von einem
Unfall vor fast zwanzig Jahren her, bei dem ein Kranarm auf seinen
Fuß gekracht war.
    »Deshalb
fahre ich nicht mehr zur See.« Er lächelte bedauernd.
»Mit so einem Klumpfuß kann man das Gleichgewicht nicht
mehr halten.« Er klopfte gegen den Oberschenkel seines
kaputten Beins.
    »Und
seitdem arbeitest du hier?«, fragte Dóra, während
sie in den ersten Stock stiegen.
    »Nein,
meine Liebe.« Kjartan erklomm mühsam die Stufen.
»Ich habe allerlei gemacht. Hier bin ich erst seit fünf
Jahren.«
    »Könntest
du kein Büro im Erdgeschoss kriegen?« Dóra
wunderte sich darüber, dass sich ein gehbehinderter Mann die
Treppe hinaufmühen musste.
    »Bestimmt.
Aber das möchte ich nicht. Die Treppe nehme ich in
Kauf.« Er öffnete die Tür zu einem kleinen
Büro. »Ich muss das Meer sehen.« Er zeigte auf das
Fenster, das den Blick auf den Hafen und die Klippen freigab.
»Da bin ich wie ein junger Papageitaucher. Ich kann nur
fliegen, wenn ich das Meer vor Augen hab.« Er wies auf seinen
Schreibtisch. »Sonst würde ich nichts zustande
bringen.«
    Angesichts der
Papierstapel und der im ganzen Zimmer verstreuten Blätter war
das Ergebnis trotz Meerblick wohl kaum vorbildlich. »Ich
wohne auch am Meer. Ich kenne das Gefühl«, sagte
Dóra und nahm ein undefinierbares Gerät von dem Stuhl,
auf den sie sich setzen wollte. »Kann ich das irgendwo anders
hinlegen?« Sie suchte nach einem passenden Platz. Das Teil
sah zwar aus wie Schrott, hätte aber ebenso gut etwas
ungeheuer {70 }Wertvolles sein können. Immerhin lag es auf
einem Stuhl und nicht, wie das meiste andere, auf dem
Fußboden.
    »Leg’s
einfach auf den Boden«, antwortete Kjartan und setzte
sich.
    Dóra
legte das Gerät vorsichtig neben ihren Stuhl und nahm Platz.
Bella zog einen anderen Stuhl zum Schreibtisch und setzte sich,
nachdem sie ihn von einer Plastiktüte mit Gläsern befreit
hatte. Sie stellte die Tüte so schwungvoll auf den Boden, dass
Dóra warten musste, bis es aufgehört hatte zu klirren.
»Ich hoffe, du bist nicht extra wegen uns hergekommen.
Markús meinte, du wärest hier, aber heute ist ja
Sonntag.«
    »Mach
dir darüber keine Gedanken, meine Liebe«, entgegnete
Kjartan. »Ich muss dieses Wochenende sowieso arbeiten. Wir
sind zu zweit hier, um eine anstehende Revision vorzubereiten.
Schon wieder eine von diesen verdammten
Qualitätskontrollen.«
    Dóra
war erleichtert und bemitleidete den Mann, der offenbar noch
einiges zu tun hatte, wenn man den Zustand seines Büros in
Betracht zog. »Gut. Markús hat dir bestimmt
erzählt, warum ich hier bin. Ich vertrete ihn in einem Fall in
Verbindung mit dem Vulkanausbruch. Er meinte, du wüsstest
alles über alle hier.«
    »Das
müssen andere beurteilen.« Kjartan grinste
großspurig. »Jedenfalls weiß ich von dieser Sache
mit Markús.« Er ließ Dóra nicht aus den
Augen. »Das ist ein kleiner Ort. Jeder hat von dem
Leichenfund gehört. Alle wissen, was in der Zeitung stand, und
über andere Dinge wird hinter vorgehaltener Hand
gesprochen.«
    Dóra
lächelte zaghaft. Das hatte sie auch nicht anders erwartet.
Auf den Westmännerinseln wohnten etwa viertausend Menschen auf
ungefähr dreizehn Quadratkilometern; solche Geschichten
machten also schnell die Runde. Sie lächelte ihm aufmunternd
zu. »Markús hat mir alles erzählt, woran er sich
erinnern kann, aber er war natürlich noch ein Teenager und
wurde in der Nacht aufs Festland evakuiert. Soweit ich weiß,
ist er

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