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Das Gluehende Grab

Das Gluehende Grab

Titel: Das Gluehende Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardottir
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mich fragst, ob einer von denen jemanden
umbringen oder Leichen in den Keller hätte schaffen
können, dann lautet die Antwort eindeutig ja. Es wäre
nicht das geringste Problem gewesen. Die Häuser, die jetzt
ausgegraben werden, sind nicht sofort verschüttet worden. Das
war erst zwei Wochen später. Ich hätte mich allerdings
kaum in die Nähe der Häuser getraut, weil sie so nah an
der Bruchspalte standen. Die Häuserreihe, um die es geht, ist
nur von Asche verschüttet worden, das richtet nicht so viel an
wie ein glühender Lavastrom. Wenn ich Leichen hätte
verstecken wollen, hätte ich sie in eines der Häuser
gebracht, die auf jeden Fall unter den Lavastrom geraten
würden, aber das hätte viel Mut erfordert. {78 }Lava
bewegt sich zwar nicht besonders schnell, aber es gibt kaum etwas
Schrecklicheres als diese brodelnde Masse, die alles verschluckt.
Und nicht nur die glühende Lava war abschreckend, sondern auch
die giftigen Dämpfe.«
     

    »Hast du
irgendeine Idee, wer die Männer im Keller sein könnten?
Weißt du, ob jemand vermisst wurde? Aus der
Rettungsmannschaft vielleicht?«
    »Ich
habe keinen blassen Schimmer«, antwortete Kjartan.
»Soweit ich weiß, sind alle mit dem Leben
davongekommen. Bei dem Ausbruch gab es keine
Toten.«  
    »Außer
dem Mann im Keller der Apotheke.«
    »Der ist
nicht unmittelbar wegen des Ausbruchs gestorben. Er war
Alkoholiker.«
    Dóra
war fassungslos. Das schien die vorherrschende Meinung auf der
Insel zu sein. Alkoholiker zählten nicht. Sie beschloss, sich
davon nicht aus dem Konzept bringen zu lassen. »Aber du hast
dir doch bestimmt Gedanken darüber gemacht, wer die
Männer sein könnten? Heimæy ist schließlich
keine Großstadt. Sie müssen doch irgendwas mit der Insel
zu tun gehabt haben.«
    »Keine
Ahnung.« Kjartan presste die Lippen zusammen. »Wenn ich
die Nachrichten richtig verfolgt habe, weiß niemand, um wen
es sich handelt.«
    »Sehr
richtig«, sagte Dóra geduldig. »Aber man kann
sich ja trotzdem Gedanken darüber machen. Vielleicht gibt es
ja eine Verbindung zum Kabeljaukrieg. Vielleicht waren es Seeleute,
die bei einer Havarie oder bei Auseinandersetzungen zwischen Briten
und Isländern umgekommen sind.«
    »Kann
ich mir kaum vorstellen. Damals war zwar einiges los, aber wenn
etwas Derartiges passiert wäre, hätten es alle
mitgekriegt. Niemand hätte einfach so vier Briten umbringen
können. Ich habe leider wirklich keine Ahnung, wer die
Männer sind.«
    Dóra
beließ es dabei. Für sie lag auf der Hand, dass es sich
bei den Toten um Ausländer handeln musste – vier
Isländer hätten nicht einfach spurlos verschwinden
können. Sie hatte ein ungutes {79 }Gefühl, denn der Mann
ihr gegenüber wusste mehr, als er preisgeben wollte. Sie
schaute zu Bella und stand auf. »Also dann, das war sehr
aufschlussreich.« Sie reichte Kjartan die Hand.
»Vielleicht dürfen wir dich nochmal belästigen,
wenn mir noch etwas einfällt?«
    Auf dem Weg
nach draußen fiel Dóras Blick auf ein gerahmtes Foto
an der Wand neben der Tür. Es zeigte fünf Männer,
die sich gegenseitig die Arme um die Schultern legten. Sie trugen
Helme, und im Hintergrund stieg eine Rauchsäule in den Himmel.
Einer der Männer war eindeutig Kjartan in jüngeren
Jahren. Die Männer wirkten erschöpft; keiner
lächelte in die Kamera. »Ist Markús’ Vater
da auch drauf?«
    Kjartan trat
zu ihr und zeigte auf einen der Männer. »Das ist er.
Magnús. Und das ist þorgeir, Aldas
Vater.«
    »Das
bist eindeutig du, und wer sind die beiden anderen?«, fragte
Dóra neugierig.
    Kjartan
schnaubte. »Das ist Daði.« Er zeigte auf einen
ziemlich unansehnlichen Mann, der etwas kleiner war als die
anderen. »Der hat nur Ärger gemacht, und seine Frau war
genauso.« Sein Finger wanderte über das Foto. »Und
das hier ist Guðni.«
    »Der
Polizeichef? Gehörte der auch zu dem Freundeskreis, den du
erwähnt hast?«
    »Gehörte«,
antwortete Kjartan trocken, »gehörte, Dóra. Da
hast du den Nagel auf den Kopf getroffen.«
     
     
     

9
    SONNTAG
15. JULI 2007
    Bella rauchte
genüsslich vor dem Kaffi Kró, einem kleinen Restaurant
im Hafen, auf das sie bei der Suche nach einem Abendessen
gestoßen waren. Das Wetter war hervorragend. Dóra
fühlte sich nach dem Essen entspannt und genoss die frische
Meeresbrise. Gegen Abend war es kühler geworden, aber die
Sonne schien immer noch. Noch nicht einmal der Qualm, den Bella ab
und zu in Dóras Richtung pustete, konnte die friedliche
Abendstimmung verderben.

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