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Das Gluehende Grab

Das Gluehende Grab

Titel: Das Gluehende Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardottir
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die
Westfjorde gezogen und dort aufs Gymnasium gegangen. Etwa ein Jahr
später ist sie nach Reykjavík gekommen und hat die
Schule gewechselt. Da haben wir uns wiedergetroffen.« Er
starrte vor sich hin und rechnete nach. »Das war Anfang 1974.
Ich war im ersten Jahrgang auf dem Gymnasium.«
  
    »Und in
welchem Jahrgang war sie?«  
    »Im
selben wie ich. Wir waren gleichaltrig. Sie hatte das erste
Halbjahr in den Westfjorden absolviert.«
    »Mir ist
erzählt worden, Alda wäre direkt nach der Evakuierung
aufs Gymnasium gegangen«, sagte Dóra. »Sie
hätte mitten im Winter angefangen und somit einen Jahrgang
übersprungen. Das kommt mir ziemlich merkwürdig
vor.«
    »Ich
weiß, dass sie die beste Schülerin ihres Jahrgangs war
und mit Leichtigkeit ein Jahr hätte überspringen
können.«
    »Aber
dann wäre sie doch eine Stufe über dir
gewesen?«
    »Tja,
vielleicht hatte sie es ja doch nicht geschafft.«
Markús war deutlich anzusehen, dass er diese Spekulationen
für Zeitverschwendung hielt.
    »Mal was
anderes«, sagte Dóra. »An dem Freitagabend vor
dem Ausbruch gab es eine Schulfeier, bei der sich deine
Klassenkameraden betrinken wollten. Erinnerst du dich
daran?«
    Markús
nickte feixend. »Da habe ich zum ersten Mal Alkohol getrunken
– unglaublich, aber wahr. Die meisten meiner Klassenkameraden
haben schon viel früher damit angefangen.« Er wirkte
verlegen, sprach aber weiter. »Mein Vater konnte mit Alkohol
nicht umgehen. Deshalb wollte ich niemals anfangen zu trinken. Ich
wollte nicht so werden wie er, wenn er betrunken
war.«
    »Eine
sehr vernünftige Entscheidung in dem Alter«, bemerkte
Dóra.
    »Sie hat
aber nicht lange angehalten.« Markús lächelte
beschämt. »Es haben fast alle mitgemacht, und ich wollte
nicht außen vor sein. Es war mein erstes Besäufnis
– den Abend werde ich nie
vergessen.«
    »Weißt
du noch, ob Alda abgeholt wurde oder alleine nach Hause gegangen
ist? Ob sie vielleicht runter zum Hafen gegangen
ist?«
    Markús
schaute sie verwundert an. »Sie ist definitiv nicht abgeholt
worden. Sie war nicht so betrunken, ziemlich nüchtern sogar.
Ich bin allerdings von meinem Vater abgeholt worden, was
schrecklich war. Er war nicht gerade begeistert. Aber ob Alda an
diesem Abend runter zum Hafen gegangen ist, weiß ich nicht.
Kann ich mir nicht vorstellen. Warum fragst
du?«
    »Es hat
sich herausgestellt, dass in jener Nacht am Kai etwas passiert ist.
Am nächsten Morgen war dort alles voller Blut. Fragt sich, ob
das was mit den Leichen zu tun hat. Ich habe darüber {190
}nachgedacht, ob Alda da hineingeraten und bei der Gelegenheit an
den Kopf gekommen sein könnte.«
    Markús
Gesichtsausdruck war undurchdringlich. »Und dann? Hat sie ihn
bis Montagabend aufgehoben und ihn mir anschließend in einer
Kiste überreicht? Der Vulkan ist in der Nacht von Montag auf
Dienstag ausgebrochen – dann hätte sie den Kopf drei
Tage lang aufbewahren müssen.«
    »Hat die
Kiste irgendwie gerochen?«, fragte Dóra, aber
Markús schüttelte nur den Kopf. »War Alda am
Wochenende und am Montag nach dem Fest anders als sonst? Ich bin
mir ziemlich sicher, dass ihr nach dem Fest etwas zugestoßen
ist.« Sie erzählte ihm von dem
Tagebuch.
    »Ich hab
sie an dem Wochenende nicht gesehen. Sie war krank und ist nicht
rausgegangen. Sie war auch am Montag nicht in der Schule, daher war
ich ziemlich überrascht, als sie mich zu Hause angerufen und
gebeten hat, sie abends zu treffen. Es war alles sehr
geheimnisvoll. Heute weiß ich natürlich den Grund. Sie
war sehr seltsam an dem Abend. Ob sie das ganze Wochenende schon so
war, musst du andere fragen. Ich hab sie ja nicht
gesehen.«
    Dóra
nickte. »Und wie war das mit dieser Geschichte, als jemand
Alda in der Sporthalle die Haare abgeschnitten hat? Wahrscheinlich
hat das nichts mit dem Fall zu tun, aber man weiß ja
nie.«
    »Ich war
krank und zum Glück nicht dabei«, antwortete
Markús ziemlich erregt. »Ich wäre total
ausgerastet. Es war unmöglich, und die Lehrer haben nie
herausgefunden, wer ihr das angetan hat. Sie haben noch nicht mal
die Haare gefunden.«
    »Du
weißt also nicht, wer es war?«
    »Nein,
leider – oder Gott sei Dank. Dem hätte ich es
gezeigt.«
    »Bist du
dir sicher, dass es eine männliche Person war? Diese Sache
scheint mir typisch für ein eifersüchtiges Mädchen
zu sein.«
    Markús
schaute Dóra verwundert an. Darüber hatte er offenbar
{191 }noch nie nachgedacht. »Tja, ich bin einfach davon
ausgegangen, dass es ein Junge war.

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