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Das Gluehende Grab

Das Gluehende Grab

Titel: Das Gluehende Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardottir
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gab
ausreichend Gründe für die ganzen Vorkehrungen, die
getroffen worden waren, damit sein Vater so lange wie möglich
zu Hause bleiben konnte. Für Leifur war es undenkbar, dass der
alte Mann mit Menschen zusammenlebte, die ihn jahrelang als
Säule der Gemeinde gekannt hatten, Menschen, die wie Babys
versorgt werden mussten. Babys, die nichts von dem {216 }Charme
besaßen, der sie normalerweise so unwiderstehlich machte und
einen dazu veranlasste, lächelnd ihre Windeln zu wechseln und
ihnen den Sabber aus dem Gesicht zu wischen, ohne sich dabei zu
ekeln. María hatte versucht, ihn davon zu überzeugen,
dass sie seinen Vater in einem Heim unterbringen könnten, in
dem ihn niemand kannte – wenn sie nach Reykjavík
zögen. Leifur hatte zu bedenken gegeben, dass die Wartelisten
von Altenheimen in Reykjavík sehr lang seien und sie dort
nicht bevorzugt würden. Deshalb sei es besser so; ein Umzug in
die Stadt würde keine Vorteile bringen. Nur eine Sache
würde sich ändern: María hätte dort mehr
Ablenkung und weniger Zeit für ihren Schwiegervater.
    Vielleicht
würde er vorschlagen, eine Wohnung in einem der neuen
Hochhäuser in der Skúlagata zu kaufen, damit sie ab und
zu nach Reykjavík zu ihrem Sohn fahren und sich ein bisschen
von den Strapazen erholen könnte. Es war sowieso an der Zeit,
eine Haushaltshilfe für seine Eltern zu engagieren, am besten
eine Krankenpflegerin, vielleicht sogar eine
Ausländerin. 
    Sein Vater
murmelte etwas, und Leifur wandte sich ihm zu. Der alte Mann
öffnete die Augen und lächelte. Es war ein schwaches
Lächeln. Seine Unterlippe war so trocken, dass sie aufriss und
ein Blutstropfen hervorquoll. Langsam rann er hinunter und blieb am
Rand der bläulichen Lippen hängen. Es war, als habe sich
der Blutfluss im Körper seines Vaters genauso verlangsamt wie
sein Gehirn. Das Lächeln verschwand ebenso schnell, wie es
gekommen war, was Leifur auf den Schmerz in der Lippe
zurückführte. Aber so war es nicht. Sein Vater schaute
ihm ungewohnt klar direkt in die Augen und hielt seinen Blick eine
Weile aufrecht, was nur noch sehr selten vorkam. »Wir haben
ihr sehr zugesetzt«, sagte er und umkrallte den Arm seines
Sohnes. Leifur spürte die knochigen Finger, und wenn er die
Augen zugemacht hätte, hätte es sich angefühlt wie
ein Skelett.
    »Wem,
Papa?«, fragte Leifur ruhig. »Hast du
geträumt?«
    »Alda«,
antwortete der Alte. »Du verzeihst mir doch,
oder?«
    »Ich?«,
fragte Leifur verwundert. »Natürlich verzeihe ich dir,
Papa.«
    »Gut,
Markús. Ich weiß, wie gern du sie hast.« Ihm
fielen wieder die Augen zu. »Geh nicht zu spät in die
Schule, mein Junge«, sagte er und ließ Leifurs Arm los.
»Geh nicht zu spät.«   

    Leifur
störte es schon lange nicht mehr, dass sein Vater ihn nicht
erkannte, aber beim ersten Mal hatte es ihn sehr verletzt. Damals
hatte sein Vater seiner Sekretärin mitteilen wollen, dass er
eine Woche Urlaub nehmen und Leifur ihn vertreten würde, aber
als er den Namen seines Sohnes sagen wollte, hatte er nur mit
offenem Mund dagestanden und Leifur angestarrt – ebenso
erstaunt wie sein Sohn.
    »Ich
gehe nicht zu spät.« Leifur wollte aufstehen. Sein Vater
würde wieder einschlafen, und es brachte ihn nur
durcheinander, wenn er noch länger bei ihm
blieb.
    »Glaubst
du, dass der Falke in Ordnung ist?«, sagte der alte Mann mit
schwacher Stimme, als Leifur die Tür so vorsichtig wie
möglich öffnete, damit sie nicht
knarrte.
    »Ja,
Papa«, flüsterte Leifur zurück. »Der Falke
ist in Ordnung. Mach dir keine Sorgen.« Irritiert schloss er
die Tür. Über Falken hatte Leifur ihn noch nie reden
hören. Es war schlimm, dass sein Vater die schlechten
Erfahrungen in seinem Leben im Gedächtnis behielt und die
positiven Dinge vergaß. Es war ungerecht, dass er sich an
Alda erinnerte.   
 
    Sehr
ungerecht.
     
     
     

25
    SAMSTAG
21. JULI 2007
    Das Boot legte
vom Pier ab. Dóra winkte zwei jungen Männern zu, die in
Ölzeug im Hafen herumhantierten. Einer von ihnen winkte
zurück, während der andere so tat, als habe er
Dóra nicht gesehen, und sich weiter an dem kleinen Boot zu
schaffen machte, das dann zur selben Zeit wie Dóra, Bella
und ihr Reiseleiter aus dem Hafen schipperte. »Darf man
eigentlich noch Papageitaucher fangen?«, fragte Dóra
den wettergebräunten Mann am Steuer, als sie sah, dass auf dem
anderen Boot Kescher bereitgestellt wurden. »Ich hab gelesen,
dass sie schon seit drei Jahren Probleme mit dem

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