Das Gluehende Grab
Fisch anbiss. Sie
versuchte, die Fangleine nicht bis auf den Grund hinunterzulassen,
hatte allerdings keine Ahnung, wo sich diese überhaupt befand.
Möglicherweise mitten in einem Schwarm Fische, die
überlegten, ob sie anbeißen sollten oder nicht.
Dóra schaute zurück nach Heimæy und dem neuen
Lavastrom. {221 }»Da waren ja wirklich gewaltige Kräfte
am Werk«, sagte sie zu Paddi.
»Meinst
du den Vulkanausbruch?« Paddis Angelrute zuckte leicht, und
er begann, ruhig die Leine einzuholen.
»Ja.«
Dóra schwang die Angel ungeschickt nach hinten und wieder
über die Reling, wie Paddi es ihnen gezeigt hatte. »Hast
du damals schon hier gewohnt?«
»Ja, ich
hab immer hier gewohnt.« Paddi holte weiter seine Leine
ein.
»Was
hast du denn so in der Nacht von zu Hause
mitgenommen?«
»Meine
Frau«, antwortete Paddi und zog nun kräftiger.
»Zum Glück, mein Haus war nämlich eines der ersten,
das von der Lava begraben worden ist. Wäre ganz schön
schwierig geworden, eine neue zu finden.« Er beugte sich vor
und drehte wie verrückt an der Spindel. An der Fangleine
hingen zwei Schellfische. Paddi löste die zuckenden Fische von
den Haken und warf sie in die Tonne. Dóra und Bella starrten
die Tonne an und lauschten dem Klopfen, das aus ihr drang. Sie
hatten beide damit gerechnet, dass der Mann die Fische totschlagen
und nicht langsam in der Tonne verenden lassen würde. Paddi
trocknete sich die Hände an einem schäbigen Handtuch ab,
das am Treppengeländer festgebunden war, und wandte sich dann
wieder zu den Frauen, die immer noch entsetzt zur Tonne schauten.
»Ihr müsst euch ein bisschen anstrengen«, sagte er
und trat zu ihnen, woraufhin die beiden sofort versuchten, sich
korrekt hinzustellen. »Ich will doch nicht die ganze Arbeit
für euch machen.«
Bella
stieß einen Schrei aus, als sich ihre Schnur plötzlich
spannte. »Ich hab einen!«, kreischte sie so laut, dass
man es garantiert bis zu der Jagdhütte hoch über ihnen
hören konnte. »Was soll ich machen?« Der alte Mann
ging zu ihr. Er hatte solche O-Beine, dass die Fischtonne mit
Leichtigkeit dazwischen gepasst hätte. Väterlich half er
Bella, den Fisch an Bord zu ziehen. Es war ein Rotbarsch, so klein,
dass er noch nicht einmal als {222 }Vorspeise für eine Person
getaugt hätte. Die Möwen kreischten aufgeregt.
»Können
wir ihn nicht wieder reinwerfen?«, bat Dóra. »Er
ist noch so klein.« Der arme Fisch am Haken tat ihr leid.
»Oder würde er das nicht
überleben?«
»Doch,
doch«, sagte Paddi seelenruhig und zog seine Gummihandschuhe
an, um den Fisch zu lösen. Dóra fiel ein, dass
Rotbarsche giftig sein konnten, wenn sie in Kontakt mit einer
offenen Wunde kamen. Sie hatte keine Ahnung, an welcher Stelle der
Fisch giftig war, aber da Paddi ihn so vorsichtig löste,
musste es außen sein. Paddi hob den nach Luft schnappenden
Fisch hoch. »Soll ich ihn wirklich wieder reinwerfen? Ihr
entscheidet.«
Dóra
und Bella nickten im Takt und beobachteten erleichtert, wie Paddi
die Beute über Bord warf.
»Seid
ihr euch sicher, dass Hochseeangeln das Richtige für euch ist?
Wir können auch einfach eine Sightseeing-Fahrt machen, wenn
ihr wollt.«
»Das ist
wahrscheinlich am besten«, antwortete Dóra,
während Bella nickte. »Wir machen bestimmt keine fette
Beute.« Sie lächelte Paddi an. »Der Zweck des
Ausflugs war sowieso, dir ein paar Fragen zu stellen. Wir haben
gehört, dass du sehr viel über die Leute auf den
Westmännerinseln weißt.«
»Verstehe.«
Sie machten es
sich auf dem Oberdeck bequem, wo sie eine phantastische Aussicht
hatten, und Paddi fuhr los. »Du hast doch bestimmt von dem
Leichenfund im Keller gehört? Ich arbeite für
Markús Magnússon. Er ist in den Fall
verstrickt.«
»Ich
weiß«, sagte Paddi, ohne Dóra anzuschauen.
»Das ist hier keine Großstadt. Wenn so was in der
Zeitung steht, verfolgen es alle – ich natürlich
auch.«
»Dann
weißt du vielleicht auch, dass Alda
þorgeirsdóttir wahrscheinlich ermordet wurde und
Markús unter Verdacht steht?«
Der alte Mann
schnaubte vernehmlich. »Die Polizei in Reykjavík hat
doch keine Ahnung, wenn sie glaubt, dass Markús Alda {223
}etwas antun könnte. Der Junge hat ihr immer aus der Hand
gefressen. Ich hab mich zwar nie besonders für die
Liebesgeschichten der jungen Leute interessiert, aber das haben
alle mitgekriegt. Außer Alda vielleicht. Sogar Guðni
hält die Verhaftung für Unsinn, und der hat in seiner
Laufbahn selbst schon genug dumme Fehler
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