Das Gluehende Grab
zu einem
Pier weiter östlich verlegt. Mir war nicht klar, warum sie das
gemacht haben. Vielleicht war der andere Platz
windgeschützter.«
»Und du
hast niemandem von dem Segelboot erzählt?« Dóra
wunderte sich darüber, dass das nicht in Guðnis Bericht
gestanden hatte, aber Bella und sie konnten es natürlich auch
übersehen haben.
»Nein,
hab ich nicht«, antwortete Paddi. »Ich hätte es
bestimmt noch gemacht, aber dann ist der Vulkan ausgebrochen, und
da gab es anderes zu tun. Niemand hat mich danach gefragt, und ich
hatte das Gefühl, dass diese Information vielleicht jemandem
schaden könnte. Deshalb hab ich abgewartet, und die Natur hat
mir die Entscheidung abgenommen. Ich muss zugeben, dass ich oft an
die Blutlache denken musste, seit die Leichen bei Magnús
gefunden worden sind, aber da bin ich bestimmt nicht der
Einzige.«
»Wer
denn sonst? Meinst du den Hafenwärter, der das Blut entdeckt
hat?«, fragte Dóra.
»Nein,
der ist schon lange tot. Ich dachte an Guðni und die anderen,
die es mit eigenen Augen gesehen haben. Eine so große Menge
Blut sieht man selten am Kai.«
Dóra
überlegte. »Du weißt doch bestimmt, wer Daði
war. Er wurde an jenem Morgen gesehen. Glaubst du, dass er was mit
dem Blut zu tun hatte?«
»Kann
sein, aber ich bezweifle es. Daði war ein Feigling und hat
bestimmt keiner Fliege was zuleide getan. Für einen von den
Westmännerinseln war er ein echter Schwächling, aber sein
Vater stammte ja auch nicht von hier.«
»Es
stimmt also, dass er nichts über das Blut
wusste?«
»Das hab
ich nicht gesagt. Er wusste wahrscheinlich mehr, als er gesagt hat.
Aber er war nicht der Einzige, der gesehen wurde – nur der
Einzige, den man bei den Bullen verpfiffen
hat.«
»Ach?
War sonst noch jemand am Hafen? Warum wurde das geheim
gehalten?«
»Bevor
ich weiterrede, sollte ich etwas klarstellen, damit keine
Missverständnisse aufkommen«, sagte Paddi.
»Magnús, der Vater von Leifur und Markús, war
ein prima Kerl. Er war ein alter Haudegen, aber er hat geschuftet
wie ein Tier. Er hat den Erfolg verdient, und ich kenne kaum
jemanden, der behaupten würde, Magnús hätte seine
Macht ausgenutzt. Leifur ist auch ein prima Kerl. Markús
habe ich nur als Kind gekannt, er war ein guter Junge – frech
und für jeden Unfug zu haben, aber
sympathisch.«
»Aber?«,
fragte Dóra.
Paddi grinste
sie an. »Aber«, sagte er ohne Spott in der Stimme,
»seit Magnús krank und nicht mehr
zurechnungsfähig ist... Alle wissen über seinen Zustand
Bescheid, auch wenn Leifur es geheim halten will. Leifur hat die
Reederei übernommen, und die Leute machen sich zunehmend
Sorgen über die Zukunft. Leifurs Frau macht kein Geheimnis
daraus, dass sie liebend gern woanders wohnen würde. Wenn die
beiden wegziehen, wird die Reederei verkauft, und die Einzigen, die
sie sich leisten können, sind andere Quotenkönige. Dann
würden die Fangrechte dorthin gehen, {227 }wo man bequemer
Fischfang betreiben kann. Leifur hat also auf gewisse Weise die
Fäden hier im Ort in der Hand, und alle scharwenzeln um ihn
herum.«
»Verstehe.«
Dóra wusste, dass die Angst der Einwohner nicht
unbegründet war – in einer so kleinen Gemeinde war jeder
Arbeitsplatz wichtig. »Und du glaubst, dass Leifur sich das
zunutze macht, um etwas zu verheimlichen?« Sie war sich jetzt
ziemlich sicher, dass Magnús in der besagten Nacht am Hafen
gewesen war.
»Nein,
das glaube ich nicht. Leifur ist eher so wie ich – der denkt
nicht groß darüber nach, was andere mutmaßen
könnten. Er macht einfach immer weiter, ist wahrscheinlich
ganz zufrieden damit, wie es läuft, und wenn er etwas
vorschlägt, ist kaum jemand dagegen. Solange er sich für
wichtig hält, wird alles so weiterlaufen, nehme ich an.«
Paddi steuerte Heimæy an und zeigte ihnen den neuen
Lavastrom, der noch beeindruckender war, wenn man sich klarmachte,
dass er erst vor sehr kurzer Zeit entstanden war. »Das
Problem ist, dass fast alle Einwohner nur Dinge preisgeben
würden, die gut für die Brüder
sind.«
»Und du?
Würdest du es nicht genauso machen? Du liebst diesen Ort doch
und möchtest bestimmt, dass er
floriert.«
Paddi
schnalzte mit der Zunge. »Ich bin jemand, der vor dem
Unvermeidlichen nicht wegläuft. Magnús’ Reederei
wird irgendwann verkauft. Vielleicht nicht heute und nicht morgen
und vielleicht auch nicht, solange Leifur noch arbeitet. Aber
sobald seine Kinder übernehmen, wird die Firma verkauft. Daran
besteht überhaupt kein Zweifel. Sie haben ihre
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