Das Gluehende Grab
mit Medikamenten umgehst. Aber ich bin
nicht auf die Idee gekommen, dass es Mord sein könnte.«
Sie fixierte ihn. »Ich wollte dir zwar helfen, aber das
heißt noch lange nicht, dass ich ...«
Ágúst
fiel ihr ins Wort: »Dass du was? Der Polizei Indizien
vorenthältst? Das hast du schon längst gemacht.« Er
starrte sie an, und zum ersten Mal blitzte Angst in seinen Augen
auf. »Wirst du es der Polizei
geben?«
Dís
dachte nach. »Ich hab mich noch nicht entschieden«, log
sie.
27
SAMSTAG
21. JULI 2007
Am
Ende waren sie ziellos durch das ruhige Meer um Heimæy und
die benachbarten Inseln geschippert, und der alte Kapitän war
ganz in seinem Element. Die Landschaft war großartig,
besonders südlich von Heimæy. Dort sah es so aus, als
seien bei der Erschaffung der Insel Stücke abgebröckelt,
die überall verstreut weitere Inseln bildeten. Als Bella und
Dóra nach der dreistündigen Fahrt wieder an Land
gingen, wussten sie wesentlich mehr über das damalige Leben
und die Leute auf der Insel. Paddi wollte allerdings nichts davon
wissen, dass Aldas Name jemals mit dem Blut auf dem Kai in
Zusammenhang gebracht worden sei, und hielt sich strikt an seine
Version der Geschichte. Das Segelboot mit der ausländischen
Besatzung habe in der Nacht den Hafen verlassen.
An
Land hatte Dóra dem alten Seemann das Foto aus Aldas
Schreibtisch gezeigt, aber Paddi hatte nur den Kopf
geschüttelt und gesagt, der Mann sei nicht von den
Westmännerinseln, er sehe aus wie ein Ausländer. Was
blieb, war die rätselhafte Geschichte von dem Blut auf dem Kai
und dass Magnús ungefähr zur gleichen Zeit dort gewesen
war. Erstaunlich, dass seine Frau eiskalt behauptet hatte, ihr Mann
habe in jener Nacht nicht mehr das Haus verlassen. Es konnte
natürlich sein, dass sie es nicht bemerkt hatte, aber
Dóra ging davon aus, dass die Frau gelogen
hatte.
Die
Beschreibungen der Gräueltaten, die zum Tod der Männer im
Keller geführt hatten, waren Dóra noch deutlich im
Gedächtnis. Nur wenige Menschen waren zu so etwas fähig,
und es sah ganz so aus, als sei der Vater ihres Mandanten der
Täter. Daði – und vielleicht weitere Personen
– hatten ihm womöglich dabei geholfen. Das war
wesentlich realistischer, als dass ein junges Mädchen an der
Tat beteiligt gewesen war.
Im
Hotel spürte Dóra, dass sie ganz heiße Wangen
hatte, und aus dem ersten Spiegel, an dem sie vorbeikam, blickte
ihr ein knallrotes Gesicht entgegen. Sie hatte dummerweise
vergessen, sich einzucremen, obwohl sie gewissenhaft Sonnencreme
mit aufs Boot genommen hatte. Bella sah ähnlich entstellt aus.
Die Sekretärin gähnte. »Willst du dich
hinlegen?«, fragte Dóra, die selbst auch nichts gegen
ein kleines Nickerchen einzuwenden gehabt hätte. »Ich
muss ein paar Telefonate führen und mit Leifurs Frau sprechen.
Du kannst dich ein bisschen ausruhen. Nachher können wir
zusammen zu Abend essen.«
Das brauchte
sie Bella nicht zweimal zu sagen. Dóra ging ebenfalls auf
ihr Zimmer, um zu duschen und sich umzuziehen, Jeans und Sweatshirt
gegen etwas repräsentativere, frische Klamotten einzutauschen.
Danach fühlte sie sich wesentlich besser. Sie wollte
Markús über die Sache mit seinem Vater informieren und
ihm sagen, dass sie der Polizei Paddis Version der Geschichte von
der Blutlache mitteilen müsse. Auch über das Segelboot
würde sie die Polizei informieren –
höchstwahrscheinlich handelte es sich bei den Leichen um
dessen Besatzung. Es war zwar unklar, wie die Männer in dem
Keller gelandet waren, da sie die Insel angeblich einige Tage vor
dem Vulkanausbruch wieder verlassen hatten, aber Dóras
Gefühl sagte ihr, dass sie recht hatte. Es sah ganz so aus,
dass es damals kaum Ausländer auf der Insel gegeben hatte.
Aber alle weiteren Spekulationen mussten warten, denn Dóra
rief als Erstes ihre Kinder an.
»Hast du
eine Wohnung für das Festival gekriegt?«, fragte Gylfi.
Kein Hallo Mama, wie geht es dir?.
Dóra
versuchte gar nicht erst, ihm zu erklären, dass sie damit
beschäftigt war, einen Unschuldigen aus dem Gefängnis zu
befreien. Es war sowieso zwecklos. »Nein, ich hab noch nichts
gefunden.« Das war noch nicht mal eine Lüge – sie
hatte noch nichts über freie Wohnungen gehört, da sie
einfach noch niemanden danach gefragt hatte. »Ich rufe gleich
jemanden an, vielleicht weiß der was.« Wenn Leifur
ihnen keine Wohnung besorgen konnte, dann schaffte es
niemand.
»Okay,
ich drück dir die Daumen. Wir müssen auf
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