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Das Gluehende Grab

Das Gluehende Grab

Titel: Das Gluehende Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardottir
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die
Westmännerinseln!«
    Man musste
sich die Zähne putzen, musste gesund essen, aber man musste
nicht zu einem Open-Air-Festival fahren. Dóra verzichtete
darauf, ihrem Sohn eine Standpauke zu halten, und fragte
stattdessen nach seiner Schwester. Als Gylfi mehrmals Sóleys
Namen brüllte, musste Dóra den Hörer vom Ohr
weghalten. »Hallo Sóley, gefällt es dir bei der
Oma?« Die Kinder waren bei den Eltern ihres Ex-Mannes, die
sich oft darüber beklagten, ihre Enkelkinder so selten zu
sehen, aber nie Zeit hatten, wenn Dóra sie fragte. Sie waren
gutbetucht und reisten viel, aber diesmal hatte es ihnen
ausnahmsweise gepasst. Eigentlich handelte es sich um ein
Papa-Wochenende, aber Hannes und seine neue Lebensgefährtin
waren beim vierzigsten Geburtstag eines Freundes eingeladen.
     
     
    »Hi
Mama«, sagte Sóley. »Ich sitze mit Oma im Hot
Pot. Und weißt du, wer bei uns ist?«
    »Nein.«
Dóra hoffte, dass es nicht die Ernährungsexpertin war,
die sich das Ehepaar kürzlich zugelegt hatte. Sie wollte
wirklich nicht, dass sich ihre achtjährige Tochter dieses
ganze Diätgerede anhören musste.
    »Orri!«,
rief Sóley begeistert. »Er ist mit uns im Hot Pot! Und
weißt du was? Er hat reingepinkelt!« Der letzte Satz
war geflüstert. Sóley kicherte. Dóra redete eine
Weile mit ihrer Tochter und versicherte ihr, dass sie sich darauf
freue, sie morgen wiederzusehen.
    Als
Nächstes rief Dóra Matthias an. Bei ihrem Bootstrip war
der Empfang schlecht gewesen – womöglich hatte er
versucht, sie zu erreichen, aber das war ihr inzwischen egal. Sie
wollte einfach wissen, wie er sich entschieden hatte. Als sie seine
Stimme hörte, musste sie lächeln.
    »Hi«,
sagte sie verlegen. »Ich hatte keinen guten Empfang, und du
anscheinend auch nicht. Sonst hätte ich es öfter bei dir
versucht.«
    »Kein
Problem«, entgegnete Matthias. »Ich hab ein paarmal
versucht, dich zu erreichen. Wie geht es dir? Hast du den Rumpf
gefunden?«
    Dóra
grinste. »Nein. Ich suche aber auch nicht intensiv danach. Es
reicht mir schon, die Vergangenheit aufzuwühlen. Aber es geht
langsam voran.« Sie war unsicher, ob sie ihm die ganze lange
Geschichte erzählen sollte. »Außerdem gibt’s
noch eine Leiche.«
    »Was?
Noch eine?«
    »Nicht
am selben Ort«, erklärte Dóra. »Die Frau,
die meinem Mandanten hätte helfen können, wurde tot
aufgefunden. Es sah aus wie Selbstmord, aber sie ist umgebracht
worden.«
    »Aha.
Sei bloß vorsichtig. Ich hab dir ja gesagt, dass der Typ, der
dem Mann den Penis abgeschnitten hat, gefährlich
ist.«
    »Es ist
nicht klar, ob es sich um ein und denselben Mörder handelt.
Alle Männer, die mit der Sache zu tun haben könnten,
sind, wie gesagt, verstorben oder nicht mehr
zurechnungsfähig.«
    »Wer
sagt denn, dass es unbedingt ein Mann sein muss?«, fragte
Matthias. »Frauen können genauso Psychopathen sein wie
Männer. Das mit dem Penis könnte damit zu tun haben, dass
der Ermordete die Frau misshandelt hat.«
    Dóra
hatte auch schon darüber nachgedacht, dass es eine Frau
gewesen sein könnte. Eine Frau, die völlig von Sinnen
war, hätte den Männern mit einem Schlaggegenstand derart
starke Verletzungen zufügen können, aber ein Mann oder
mehrere Männer als Täter waren wesentlich
wahrscheinlicher. Dóra wechselte das {242 }Thema.
»Also, dann sag mir mal, wie du dich entschieden hast. Ich
möchte wissen, wie du zu dem Job stehst.« Sie schloss
die Augen. Bitte komm, dachte sie. Nimm den Job an und komm zu
mir.
    »Ich
glaube, ich werde einwilligen.« Matthias’ Stimme klang
unsicher, so als rechne er damit, dass sie es ihm ausreden
würde. »Jedenfalls denke ich drüber
nach.«
    »Super!«
Dóra wunderte sich selbst über ihre spontane Reaktion.
»In Island lebt es sich am besten!«, fügte sie
albernerweise hinzu. »Ich meine, ich freue mich wirklich sehr
darüber. Wann kommst du?«
    »Ich
muss noch den Flug bestätigen. Ich soll innerhalb der
nächsten zwei Wochen zum endgültigen Gespräch
kommen. Da wird sich dann rausstellen, wann ich umziehe.«
Dóra konnte hören, dass er sich über ihre Reaktion
freute. »Ich freue mich auf dich«, sagte er.
»Hoffentlich bist du dann nicht die ganze Zeit auf See oder
in irgendeinem Keller.«
    »Häng
zur Sicherheit lieber noch einen oder zwei Tage dran.« Es
wäre schrecklich, wenn sie sich wegen des Falls nicht treffen
könnten. »Ich fahre morgen von den Westmännerinseln
nach Hause, aber vielleicht muss ich nochmal
her.«
    Sie
verabschiedeten sich, und

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