Das Götter-Opfer
hatte sich auf einige Dinge einstellen können. Was sie nun mitbekam, war unglaublich. Sie saß auf ihrem Scheibtischstuhl und kam sich vor wie hineingepreßt. Nicht nur ihre Augen hatten sich weit geöffnet, auch der Mund stand offen, und sie wußte nicht einmal, ob sie atmete oder nicht.
Zwei Frauen standen voreinander und berührten sich.
Oder doch nicht?
Jane konnte nicht sagen, welche Person es war, die sich plötzlich bewegte. Möglicherweise Selima, die von einer mächtigen Kraft nach vorn gezogen wurde. Aber sie fiel nicht. Sie glitt, sie schwebte, sie war unter den Einfluß der mächtigen Fatima geraten und mußte deren Kraft Tribut zollen.
Selima verschwand vor Janes Augen!
Aber Fatima blieb.
Sie war der Magnet, der Selima ansaugte. Sie schaffte es, die Frau in sich hineinzuziehen. Sie saugte Selima in sich auf.
Das gibt es nicht! schoß es Jane durch den Kopf. Das ist nicht möglich, das träume ich! So etwas darf nicht sein.
Aus zwei Personen wurde eine!
Selima war noch zu erkennen. Sie umschwebte Fatima als Hauch, oder steckte sie bereits in ihr. Auf eine unglaubliche Art und Weise hatte Fatima bewiesen, wozu sie als Succubus fähig war.
Erst als ihr Puls zu rasen begann, stieß Jane den Atem aus, den sie so lange angehalten hatte. Obwohl sie saß, war ihr schwindelig geworden.
Nur noch eine Person war vorhanden, und dabei handelte es sich um Fatima.
Jane schaute sie an. Ihr Blick glitt von den Füßen her in die Höhe. Sie tastete den Körper ab, bis er schließlich an ihrem Gesicht hängenblieb.
Dort war keine Spur mehr von Selima zu sehen. Es gab nur Fatima. Oder doch nicht?
Jane stemmte ihre Hände gegen die Metallehnen des Stuhls, aber sie stand noch nicht auf, denn die plötzliche Veränderung im Gesicht der Fatima bannte sie auf dem Leder.
Es waren die Augen.
Sie hatten eine andere Farbe erhalten, denn sie strahlten jetzt golden.
Es war das letzte, das Jane Collins sah, denn mit einem weiteren und unhörbaren Schritt zog sich Fatima zurück. Dann verschwand sie wie ausradiert…
***
»Da sitzt du hier und schläfst. He, Jane, was ist denn los mit dir? Was hast du?«
Die Detektivin erwachte wie eine Schläferin, die noch immer im Bann des Tiefschlafs lag. Sie mußte sich zuerst zurechtfinden, obwohl sie die Augen schon geöffnet hatte.
Allmählich kehrte die Wirklichkeit zurück, und Jane stellte fest, daß sie noch immer auf dem Schreibtischstuhl saß. Aber sie hatte Besuch bekommen, denn von der Seite her schob sich Suko in ihr Blickfeld hinein.
»Entschuldige, daß ich störe, aber ich habe angeklopft, dich auch gesehen, aber keine Anwort bekommen. Wenn ich gewußt hätte, daß du eingeschlafen bist, dann…«
»Ich habe nicht geschlafen.«
Suko mußte lachen. »Das kam mir aber so vor.«
»Nein, Suko, nein. Ich bin nur plötzlich weggetreten. Das wärst du auch, nachdem du erlebt hättest, was ich erlebt habe.«
»Was ist es denn gewesen?« Suko schaute sich um. Er wunderte sich, daß Jane allein war, stellte aber noch keine Fragen.
»Wenn ich dir das sage, hältst du mich für verrückt und völlig übergeschnappt.«
»Tu es trotzdem. Mich kann so leicht nichts überraschen. Ich vermisse allerdings die andere Person.«
»Selima ist nicht mehr da.«
»Ist sie weggegangen? Ich habe sie nicht die Treppe hinabkommen sehen.«
»Das war auch nicht möglich.«
»Welchen Weg hat sie dann genommen?«
»Einen unmöglichen«, flüsterte Jane. »Einen Weg, den man nicht erklären kann.«
Suko lächelte sie an. »Versuch es trotzdem.«
»Und ob.«
Was der Inspektor in den folgenden Minuten zu hören bekam, das ließ auch ihn beinahe an seinem Verstand zweifeln. Er schaute Jane an wie eine Fremde, schüttelte ab und zu den Kopf, und es war auch zu hören, wie er nach Luft schnappte.
Dann drehte er sich auf der Stelle mehrmals um, aber weder Fatima noch Selima waren zu sehen.
»Jetzt weißt du alles, Suko.«
»Ja, Jane, ja, und ich glaube dir sogar. John und ich haben sie ja in Ägypten kennengelernt. Wir wissen genau, mit wem wir es zu tun haben. Das ist der reine Irrsinn. Nicht zu begreifen. Verrückt, wie auch immer.«
»Oder es ist Magie, die von uralten Göttern stammt. Ich denke, das sollte man so sehen.«
»Und was tun wir dagegen?«
»Ich weiß es noch nicht«, flüsterte Jane. Sie stand auch weiterhin unter dem Eindruck des Erlebten.
Suko wurde wieder sachlich. »Mal eine kurze Frage, Jane. Was hast du eigentlich hier gewollt?«
»Nur eine Adresse
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