Das Götter-Opfer
vorhanden. Es schwebte in meiner Nähe. Es glitt an mich heran, es schwebte vorbei, aber ich war nicht in der Lage, es zu sehen.«
Jane nickte. »Und weiter«, sagte sie.
»Nichts mehr, Jane. Ich fühle mich unten bei Lady Sarah nur nicht mehr sicher und bin dann zu dir gegangen, weil ich davon ausging, daß du Verständnis für mich haben würdest.«
»Darauf kannst du dich verlassen. Hast du dich denn gefragt, wer in deiner Nähe gewesen sein könnte?«
»Auch das, Jane. Eine unheimliche Person. Eine, die ich nicht sehen konnte, aber spürte. Dabei kann sich kein Mensch unsichtbar machen, es sei denn…«
»Er ist in der Lage, gewisse Zeiten zu überbrücken und hat ein Alter von Tausenden von Jahren erreicht.«
»Ja. Wie Fatima, von der John gesprochen hat.«
»Eben.«
Selima ging auf den Schreibtisch zu und blieb dicht davor stehen. Sie legte eine Hand auf die Platte. »Ich will dir ehrlich sagen, daß ich Angst habe, Jane. Ja, ich habe Angst. Nicht einmal nur vor mir selbst, sondern auch vor Dingen, die ich nicht begreifen kann. Ich will nicht sagen, daß mein Schicksal untrennbar mit dem der Fatima verbunden ist, aber so fremd ist sie mir nicht.«
»Wie kommst du darauf?«
Selima hob die Schultern. »Was soll ich dazu sagen, Jane? Inzwischen bin ich der Meinung, daß ihr und mein Schicksal irgendwie Zusammenhängen.«
»Kannst du das genauer erklären?«
Selima schaute ins Leere. »Da ist der Name Succubus gefallen. Der Sauger, und ich glaube, daß ich so etwas Ähnliches bin und trotzdem das Gegenteil. Ich sauge nicht, ich kann zerstören, und das habe ich selbst erlebt. Da war John Sinclair Zeuge. Du brauchst ihn nur zu fragen, Jane. Ich finde es schlimm, daß mir so etwas widerfahren ist. Ich kann dagegen auch nicht an, und wenn ich über mein bisheriges Leben nachdenke, dann kommt es mir vor, als wäre es gar nicht gewesen.« Sie suchte nach den passenden Worten. »Es ist ja so. Die Vergangenheit drängt sich so schrecklich weit vor. Lach nicht über das, was ich jetzt sage. Ich habe das Gefühl, daß meine Zukunft die Vergangenheit ist.« Sie schlug sich gegen die Stirn. »So dumm sich das anhört, aber es ist wahr. Ich gehe zurück in die Zukunft.«
»Da gab es mal einen Film mit dem Titel.«
»Weiß ich, Jane.« Selima schaute auf die sitzende Detektivin nieder. »Was sagst du dazu?«
»Ich antworte dir jetzt mit einer allgemeinen Floskel. Nichts ist unmöglich.«
»Ob mir das hilft?«
»Nein, aber ich verstehe dich. Ich verstehe auch, daß du dich fürchtest. Das würde jedem anderen Menschen ebenfalls so gehen.«
Zum erstenmal seit ihrem Erscheinen verzog sich Selimas Mund zu einem Lächeln. »Danke. Das gibt mir etwas Mut. Aber mein ungutes Gefühl ist trotzdem geblieben.«
»Ich verstehe dich. Es ist am besten, wenn wir gemeinsam abwarten, was noch geschehen wird. Ich kann nichts tun. Du ebenfalls nichts. Hier werden wir von anderen Kräften fremdbestimmt…«
»Sie ist nur wegen mir da!« sagte Selima.
»Du denkst an Fatima?«
»An wen sonst. Sie will mich. Sie hat John ja auch gewarnt, aber ich weiß nicht, was sie von mir will. Ich erkenne keine Gemeinsamkeiten zwischen uns beiden.«
»Die werden wir möglicherweise im Ägypten Shop finden.« Jane deutete auf den Monitor. Auf der grauen Fläche zeichnete sich noch immer der Index ab, denn sie war nicht weit gekommen.
»Entschuldigung, wenn ich dich gestört habe. Es war nicht meine Absicht und…«
Jane Collins wollte ihr sagen, daß ihre Worte überflüssig waren, doch dazu kam sie nicht mehr.
Etwas passierte.
Es war geheimnisvoll, unheimlich und auch lautlos, denn plötzlich waren ihrer beiden Befürchtungen Wahrheit geworden. Eine dritte Person befand sich auf dem Dachgeschoß.
Kein Mensch, nein, sie war ein Schemen, das durch den halbdunklen Raum huschte. Selima hatte ihn im Hintergrund gesehen. Dort hatte er sich aus den Schatten gelöst.
Er schwebte heran.
Beide Frauen waren unfähig, einen Kommentar abzugeben, denn sie wußten jetzt, wer sie besucht hatte.
Die uralte Fatima…
***
Suko hatte das Haus der Horror-Oma betreten und schloß die Tür hinter sich.
Er sah Lady Sarah vor sich, die ihn anlächelte und dabei erleichtert aussah.
»Ich bin froh, daß du gekommen bist.« Sie küßte den Inspektor auf beide Wangen.
»Das glaube ich dir, nachdem ich erfahren habe, worum es geht. Dabei hätte ich schon früher hier sein können. Du kennst ja John. Er wollte mal wieder alles allein machen. Der hatte schon
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