Das Götter-Opfer
einigen tausend Jahren beobachtet, als du dem furchtbaren Götzen geopfert wurdest. Damals bin ich zu spät gekommen, aber in dieser Zeit nicht. Da ist es mir sogar gelungen, für einen gewissen Schutz zu sorgen.«
»Sprichst du von John Sinclair?«
»Und auch von seinem Freund Suko. Ich kenne beide. Ich habe sie unserer Heimat erlebt. Wir sind zwar keine Freunde geworden, aber wir respektieren uns.«
Selima hatte zugehört. Erst als Fatima nicht mehr sprach, schaute sie wieder Jane Collins an. »Was… was… soll ich denn tun?« hauchte sie. »Ich bin durcheinander. Ich fühle mich hilflos. Das fließt alles wie eine gewaltige Woge über mich hinweg…«
»Ich denke, daß du nichts dagegen tun kannst«, erklärte die Detektivin. »Du mußt dadurch und deine Vergangenheit noch einmal in der Zukunft erleben.«
»Nein, nein!« stieß sie hervor. »Ich will nicht. Ich will nicht noch einmal sterben…«
»Das wirst du hoffentlich auch nicht«, erklärte Fatima. »Denn jetzt hast du Hilfe. Ich bin bei dir. Ich werde du werden. Gemeinsam können wir sie stoppen. Wenn wir nicht zum Angriff übergehen, wird man dich immer und immer wieder jagen. Es muß ein Schlußstrich gezogen werden. Das Götter-Opfer darf sich so nicht wiederholen und den verfluchten Höllengötzen Seth stärken.«
Selima konnte sich noch immer nicht damit abfinden. »Hier ist nicht Ägypten. Hier ist nicht die alte Zeit…«
»Aber sie wird zurückkehren.«
Selima schloß kurz die Augen. Es war ihr anzusehen, wie sehr sie unter den Worten litt. Wieder schaute sie Jane an, und die Detektivin verstand den stummen Ruf nach Hilfe in ihrem Blick.
»Muß es denn so sein?« wandte sie sich an Fatima.
»Ja!« erhielt Jane als knallharte Antwort. »Es muß so sein. Es gibt keinen anderen Weg. Du solltest auch nicht versuchen, dich einzumischen. Das wäre nicht gut für dich. Ab jetzt wird Selima unter meinem Schutz stehen.«
So leicht ließ sich Jane nicht aus dem Konzept bringen. »Moment, da gibt es noch John Sinclair und Suko…«
»Sie haben ihre Pflicht getan. Ich wollte nur, daß Selima bis zu diesem Abend überlebt, und das hat sie getan. Alles weitere ist jetzt unsere Sache.« Für Fatima war die Diskussion mit Jane beendet. Sie trat wieder so unhörbar und seidenweich zurück. Mit einer lässigen Bewegung hob sie den rechten Arm.
Zu sagen brauchte sie nichts. Selima hatte die Geste schon verstanden. Sie warf auch Jane keinen Blick mehr zu, denn nun war sie einzig und allein in den Bann dieser fremden und uralten Person geraten.
Wie von einem Band gezogen ging sie vor, während Fatima zurücktrat. Selimas Schritte waren zu hören.
Jane Collins saß angespannt und sprungbereit auf ihrem Stuhl. Sie war bereit, einzugreifen und überlegte, was sie unternehmen sollte, aber die Vernunft befahl ihr, nichts zu tun und lieber abzuwarten. Das war nicht ihr Spiel. Die Regie hatte Fatima übernommen, und sie war mächtiger als Jane Collins.
Jane wünschte sich, John Sinclair hier oben zu haben, doch sie traute sich nicht, nach ihm zu rufen. Fatima hätte es bestimmt nicht verstanden.
Sie hatte das Kommando übernommen. In ihrer Umgebung hatte sich etwas verändert. Jane merkte es. Es war eine Spannung vorhanden, die sie vor Minuten noch nicht gespürt hatte. Eine ungewöhnliche Aura, in die Selima hineinschritt.
Auch sie war dabei, sich bei jedem Schritt zu verändern. Zwar berührte sie noch den Boden, doch immer mehr glich ihr Gehen einem Gleiten, als wollte sie es Fatima nachmachen.
Die war stehengeblieben.
Sie wartete.
Die Hände gespreizt, die Arme leicht ausgestreckt. Wenn sie so weiter auf der Stelle stehenblieb, war klar, was sie wollte. Selima würde von ihr umarmt werden…
Warum? dachte Jane. Warum das alles? Sie hätte es schon früher haben können.
Etwas stimmte nicht. Hier waren Kräfte frei geworden, die sich Jane nicht erklären konnte. Sie dachte an die goldenen Augen der Selima, die ihren Glanz in der letzten Zeit nicht mehr gezeigt hatten. Die Kraft mußte sich zurückgezogen haben, was Jane nicht eben als positiv einstufte.
Dann war sie da.
Beide Frauen trafen zusammen.
Selima hob die Arme ebenfalls leicht an und näherte ihre Handflächen die der anderen Person. Sekunden noch, dann war der Kontakt hergestellt.
Jane Collins wußte, daß es genau auf diesen Moment ankam. Sie wartete, daß etwas passierte, aber sie hörte kein Geräusch, als sich die Hände berührten.
Nur die Reaktion bekam sie mit.
Jane Collins
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