Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen
hervorzog, war scharf und glänzte metallisch. Mir blieb keine Zeit wegzulaufen. Sie bewegte sich so schnell, dass das Messer zu einem verschwommenen Schatten wurde, und ich versuchte auszuweichen, stellte ihr ein Bein und wollte auf allen vieren flüchten, so schnell ich konnte, doch sie krallte die Finger in mein Haar und riss meinen Kopf so hart zurück, dass ich Angst hatte, ich würde mir das Genick brechen.
„Nicholas!“, rief ich verzweifelt, doch es war zu spät.
Zuerst spürte ich den Druck in meiner Seite. Der Schmerz flammte erst auf, als sie das Messer wieder herausriss, und das war der Moment, in dem ich schrie. Instinktiv rammte ich meinen Ellbogen in ihre Richtung und fühlte etwas knackend darunter nachgeben, doch mit der Bewegung hatte ich ihr nur einen weiteren Angriffspunkt geliefert. Ich keuchte, als sie mir das Messer in den Bauch jagte. Die Wunde brannte augenblicklich in weißglühendem Schmerz. Ich schmeckte bereits Blut auf meiner Zunge.
„Wie enttäuschend“, sagte Calliope und wischte sich das Blut weg, das aus ihrer gebrochenen Nase strömte. „Ist das wirklich alles, was du kannst?“
Mit einem letzten Adrenalinstoß stürzte ich mich auf sie, die Hände um ihre Kehle gelegt. Doch mittlerweile verlor ich rasend schnell Blut, und ich war nicht mehr stark genug, so viel Schaden anzurichten, wie ich wollte. Hilflos kniff ich die Augen zusammen, als sie mir den letzten Stich verpasste und das Messer mitten in die Brust rammte. Diesmal machte sie sich nicht die Mühe, es wieder herauszuziehen.
Sie löste meine Finger von ihrem Hals und hob mich spielend leicht hoch. Dumpf und wie aus großer Ferne hörte ich Pogo bellen und versuchte, um Hilfe zu rufen, doch alles, was ich zustande brachte, war ein klägliches Gurgeln. Der Schmerz brannte in mir wie Feuer. Mir wurde schwindlig, als würde ich einen langen Tunnel hinabfallen, doch ich konnte nichts tun, um das alles aufzuhalten.
Der Sturz ins eiskalte Wasser holte mich weit genug in die Realität zurück, dass ich die Augen öffnen konnte. Mein Blick war verschwommen, doch ich sah Calliope über mir aufragen. Ihre Silhouette bewegte sich weg von mir, doch sie stand still. Schwerfällig, wie mein Gehirn mittlerweile funktionierte, brauchte ich einige Sekunden, um zu begreifen, dass ich im Fluss war und von ihr forttrieb.
Das war es also. So fühlte der Tod sich an. Kalt, nass, taub und heiß zugleich, während ich versuchte zu atmen, aber keine Luft in meine Lungen strömte. Statt mich zu fürchten, war ich erleichtert. Jetzt würde ich mich doch nicht von meiner Mutter verabschieden müssen. Wenn Henry auch nur einen Funken Gnade im Leib hatte, würde er sie in derselben Sekunde gehen lassen, in der er erfuhr, dass ich tot war.
Henry.
Nachdem ich ihn dazu gebracht hatte, seine Vorsicht in den Wind zu schreiben, nachdem ich seine Hoffnung geweckt hatte, hatte ich es tatsächlich geschafft, mich umbringen zu lassen. Und wenn ich tot war, würde er es ebenso sein. Mir zuliebe hatte er nicht aufgegeben – welches Recht hatte dann ich, jetzt aufzugeben?
Schwach kämpfte ich gegen die Strömung an, doch es war vergebens. Ich konnte mich kaum bewegen, geschweige denn ans Ufer schwimmen. Der Fluss würde mich mit sich reißen, und wenn ich Glück hatte, würden sie meine Leiche irgendwann hier in der Umgebung am Ufer finden.
Über mir schien die Sonne durch die kahlen Zweige, und ich ließ mich in die Dunkelheit treiben. Mir war nicht länger kalt.Stattdessen fühlte ich eine Wärme, wie wenn Henry mich umarmte, und ich stellte mir vor, wie er mich ans Ufer zog. Die kühle Luft würde auf meine nasse Haut treffen, und ich würde zittern. Er würde mich heilen, und am Ende wäre alles wieder gut.
Doch es war zu spät für ein Happy End. Ich war bereits tot.
17. KAPITEL
TOD
Ich war mir nicht sicher, was ich erwartete, als ich die Augen öff-nete – meine Mutter jedenfalls nicht. Und dennoch war sie da, genauso kerngesund wie nachts in meinen Träumen. Statt mich mit ihrem üblichen Lächeln zu begrüßen, war ihr Gesichtsausdruck grimmig, und sie starrte auf etwas in der Ferne.
„Mom?“, fragte ich, und als sie mich ansah, waren ihre Augen so rot und leer, dass es unmöglich ihre sein konnten. Selbst in den schlimmsten Tagen ihrer Krankheit hatte sie nicht so ausgehöhlt ausgesehen. Da war immer noch etwas in ihr gewesen, ein Funke oder ein Lächeln oder irgendetwas, das mir in Erinnerung rief, dass sie nach wie vor meine
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