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Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen

Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen

Titel: Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aimée Carter
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hast gestern gesagt, dass du das hier nicht tun willst, und daraus mache ich dir keinen Vorwurf. Doch jetzt, da der Handel geschlossen wurde, kann er nicht mehr aufgelöst werden. In jener Nacht, als du deine Freundin gerettet hast, hast du Mut bewiesen. Ich bitte dich, diesen Mut noch einmal aufzubringen.“
    Ich holte tief Luft, während ich verzweifelt versuchte, irgendetwas von diesem sogenannten Mut zu finden, von dem er über-zeugt zu sein schien, ich hätte ihn. Alles, was ich fand, war Angst.
    „Damals in Eden, da hast du gesagt … du hast gesagt, wenn ich den Mythos der Persephone noch einmal nachlese, würde ich verstehen, was du willst“, brachte ich leise hervor. „Mein Freund James hat mir erzählt, sie sei die Königin der Unterwelt gewesen,und das hab ich auch in einem Buch gelesen, als ich …“ Ich schüt-telte den Kopf. Das war unwichtig. „Stimmt das?“
    Er nickte. „Sie war meine Frau.“
    „War? Sie hat existiert?“
    „Ja“, erwiderte er, seine Stimme klang nun weicher. „Sie ist vor vielen Jahren gestorben.“
    „Wie?“
    Henrys Gesichtsausdruck war nicht zu deuten. „Sie hat sich in einen Sterblichen verliebt, und als seine Zeit gekommen war, entschloss sie sich, ihm zu folgen. Ich habe sie nicht aufgehalten.“
    In dieser Aussage steckten so viele Dinge, die ich nicht verstand, dass ich gar nicht wusste, wo ich anfangen sollte.
    „Aber sie ist ein Mythos. Es ist unmöglich, dass sie tatsäch-lich existiert hat.“
    „Vielleicht“, sagte er, den Blick in die Ferne gerichtet. „Aber wenn es geschieht, wer kann sagen, was möglich ist und was nicht?“
    „Die Logik“, beharrte ich. „Die Naturgesetze. Die Vernunft. Manche Dinge sind einfach nicht möglich.“
    „Dann sag mir, Kate: Wie sind wir nach draußen gekommen?“
    Erneut sah ich mich um, halb in der Erwartung, alles würde verblassen wie eine kunstvolle Illusion.
    „Du hast mich k. o. geschlagen und hierhergebracht?“, brachte ich hilflos hervor.
    „Oder vielleicht war da eine Falltür, die du nicht gesehen hast.“ Wieder griff er nach meiner Hand, und ich versteifte mich. Seufzend streifte er nur leicht meine Finger und ließ den Arm sinken. „Es gibt immer eine rationale Erklärung, aber manchmal können Dinge unlogisch oder unmöglich erscheinen, wenn man nicht alle Regeln kennt.“
    „Und das heißt?“, gab ich zurück. „Du willst mir erzählen, ein griechischer Gott hat sein Anwesen zufällig mitten in die Wildnis gesetzt, in einem Land auf der anderen Seite der Erde?“
    „Wenn man Äonen lang lebt, wird die Welt ein sehr viel kleinerer Ort“, erklärte er. „Ich habe Häuser in vielen Ländern, auchin Griechenland, aber mir gefällt die Einsamkeit hier. Es ist friedlich, und ich genieße die Jahreszeiten und den langen Winter.“
    Regungslos saß ich da. Darauf wusste ich nichts zu erwidern.
    „Könntest du versuchen, mir zu glauben?“, fragte Henry. „Nur für den Moment. Selbst wenn das bedeutet, alles beiseitezuschieben, was du je gelernt hast: Würdest du mir bitte den Gefallen tun und versuchen, zu akzeptieren, was ich dir erzähle, egal, wie unwahrscheinlich es wirken mag?“
    Mit zusammengepressten Lippen sah ich auf meine Hände hinunter.
    „Ist es das, was du machst? So zu tun als ob?“
    „Nein.“ Diesmal hörte ich an seinem Tonfall, dass er lächelte. „Aber du darfst das gern, wenn du möchtest. Das wird es einfacher für dich machen.“
    Das hier würde nicht aufhören. Selbst wenn alles eine riesige Scharade war, wenn alles von Anfang an so geplant gewesen war, um mich wie eine Idiotin dastehen zu lassen oder worauf auch immer er hinauswollte – alles, was ich tun konnte, war, darauf zu warten, was geschehen würde.
    Plötzlich tauchte das Bild von Ava, wie sie in einer Lache ihres eigenen Blutes lag, den Schädel eingeschlagen, vor meinem geistigen Auge auf. Dann die Erinnerung an den kühlen Luftzug auf meiner Wange, nachdem wir Sekunden zuvor tief im Herzen des Gebäudes gewesen waren. Und meine Mutter, lebendig und gesund im Central Park. Was immer hier auch geschah, früher oder später würde ich der Tatsache ins Auge sehen müssen, dass ich so etwas noch niemals erlebt hatte.
    „In Ordnung“, lenkte ich ein. „Lass uns so tun, als wäre das hier wirklich das Paradies und alle wären tot und dass Ella und Calliope eine Million Jahre alt sind und dass du wirklich bist, wer du zu sein behauptest …“
    „Ich behaupte niemand zu sein außer der, der ich bin.“

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