Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen

Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen

Titel: Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aimée Carter
Vom Netzwerk:
Braunhaarige zappelte herum, als gehörten Stillstehen und Schweigen nicht gerade zu seinen Spezialitäten. Er konnte nicht älter als zwanzig sein.
    „Du wirst ständig bewacht werden“, erklang Ellas Stimme, und erschrocken blickte ich sie an. Sie musste gesehen haben, wie ich die Wachen anstarrte. Graziös wie ein Reh trat sie vor und wies auf einen Platz am unteren Ende des Tischs.
    „Dein Platz.“
    Ich folgte ihr, krampfhaft bemüht, nicht auf den Saum meines Kleides zu treten, und setzte mich. Mittlerweile war nur noch ein knappes Dutzend Menschen im Raum, aber alle sahen mich immer noch an.
    „Euer Frühstück, Eure Hoheit.“ Mit diesen Worten trat ein Mann vor und stellte einen abgedeckten Teller vor mich. Ella hob den Deckel ab, ohne mir die Chance zu geben, es selbst zu tun. Sie sah genauso gelangweilt aus wie schon in meinem Zimmer.
    „Äh, danke“, sagte ich, etwas aus der Fassung gebracht. Eure Hoheit? Ich nahm eine Gabel und wollte gerade ein Stück Obst aufspießen, um es zu essen, da wurde mein Handgelenk gepackt.
    Überrascht blickte ich auf und sah Calliope über mir stehen, die blauen Augen weit aufgerissen.
    „Ich koste vor“, erklärte sie bestimmt. „Das ist meine Aufgabe.“
    Schockiert platzte ich heraus: „Du kostest mein Essen vor?“ „Wenn du dich entscheidest, zu essen, ja.“ Sie klang etwas eingeschüchtert. „Dein Abendessen gestern hab ich auch vorgekostet. Aber du musst nicht essen, solange du hier bist, weißt du? Irgendwann wirst du vergessen, wie es sich anfühlt. Aber wenn du etwas zu dir nehmen willst, muss ich …“
    „Nein“, unterbrach ich sie und schob meinen Stuhl so heftig zurück, dass er laut über den Marmorboden quietschte. Der Stress des vergangenen Tages und die Verwirrung des Morgens stürzten auf mich ein und zerschmetterten das letzte bisschen Selbstkontrolle, das ich noch besaß. „Nein. Das ist lächerlich. Vorkoster? Bewaffnete Wachen? Eure Hoheit? Warum? Was erwartet ihr hier von mir?“
    Alle schienen wie vom Donner gerührt von meinem Ausbruch, und es dauerte einige Augenblicke, bis jemand sprach. Es war Ella.
    „Du hast dich bereit erklärt, sechs Monate des Jahres hier zu verbringen, richtig?“
    „Ja“, antwortete ich frustriert. Sie verstanden mich nicht. „Aber ich hab mich nicht mit Vorkostern einverstanden erklärt, nicht mit … mit gar nichts von dem hier.“
    „Doch, das hast du“, widersprach sie ruhig. „Das ist Teil eurer Vereinbarung.“
    „Warum?“
    Niemand antwortete mir. Ich umklammerte den Stoff meines Rocks so fest, dass ich mir sicher war, er müsste jeden Moment reißen.
    „Ich will Henry sehen. Ich muss mit ihm reden.“
    Die Stille, die darauf folgte, zerrte an meinen Nerven, und mir riss nun endgültig der Geduldsfaden.
    „Lasst mich zu ihm!“
    „Ich bin hier.“
    Der Klang seiner Stimme, tief und samtig, erschreckte mich. Ich wirbelte herum und brachte es fertig, das Gleichgewicht zu verlieren. Gerade so konnte ich mich auf dem Stuhl halten. Henry stand vor mir, viel näher, als ich erwartet hatte. Sein junges, makelloses Gesicht war ausdruckslos, und mein Herz setzte einen Schlag aus. Als ich meine Stimme wiederfand, waren meine Worteeher ein Quieken, aber das war mir egal. Ich wollte Antworten.
    „Warum?“, fragte ich. „Warum bin ich hier? Ich bin nicht deine Prinzessin, und nichts von dem hier war abgesprochen, also warum passiert es trotzdem?“
    Henry hielt mir seine Hand entgegen. Ich zögerte, doch schließlich ergriff ich sie. Seine Haut fühlte sich überraschend warm an. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte – Eis vielleicht. Nicht Wärme. Keinen Hinweis auf Leben.
    „Schließ die Augen“, flüsterte er, und ich gehorchte. Einen Augenblick später spürte ich eine kühle Brise auf den Wangen, und unwillkürlich riss ich die Augen auf. Wir waren draußen, mitten in einem kunstvoll angelegten und gut gepflegten Garten mit leise plätschernden Springbrunnen, verstreut zwischen Blumen und Hecken. Von dort, wo wir standen, führte ein Weg aus Steinplatten zur Rückseite des Anwesens, das in der Ferne zu sehen war, mindestens eine halbe Meile weit weg. Cerberus, der riesige Hund aus dem Wald, trottete heran und begrüßte Henry, der ihn liebevoll hinter den Ohren kraulte.
    Mir wurde schwindlig, und auch das letzte Blut wich mir aus den Wangen.
    „Wie hast du …“
    „Alles zu seiner Zeit“, besänftigte er mich. Wie betäubt sank ich auf dem Rand eines Springbrunnens zusammen. „Du

Weitere Kostenlose Bücher