Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen
Seine Mundwinkel zuckten amüsiert.
Ich zog eine Grimasse. „Meinetwegen, dann lass uns so tun, als wäre das alles hier real, dass Magie möglich ist und es dieZahnfee wirklich gibt. Und dass ich mir nicht irgendwann zwischendrin den Kopf angeschlagen hab und dass du nicht im klinischen Sinne verrückt bist. Was hat es mit mir zu tun, dass deine Frau gestorben ist?“
Für einen langen Moment schwieg Henry.
„Wie ich sagte, sie hat sich entschieden, zu sterben, statt bei mir zu bleiben. Ich war ihr Ehemann, aber sie hat den anderen einfach mehr geliebt.“
Nach seinem Gesichtsausdruck zu schließen, war nichts daran einfach, doch ich bohrte nicht nach.
„Du weißt schon, dass du deutlich zu jung aussiehst, um je verheiratet gewesen zu sein, oder?“, machte ich einen lahmen Versuch, die Stimmung aufzuhellen. „Wie alt bist du überhaupt?“
Und da war wieder das Zucken um seine Mundwinkel. „Älter, als ich aussehe.“ Einen Moment später fügte er hinzu: „Vielleicht hat sie mich geliebt, aber es war niemals ihre eigene Entscheidung. Es war mein letztes Geschenk an sie – sie gehen zu lassen.“
In seiner Stimme lag ein trauriger Ton, den ich nur zu gut kannte.
„Es tut mir leid“, flüsterte ich. „Wirklich. Es ist nur … Ich verstehe immer noch nicht, warum ich hier bin.“
„Fast ein Jahrtausend lang habe ich allein über die Toten geherrscht, doch vor fast einhundert Jahren habe ich zugestimmt, nur noch hundert Jahre so weiterzumachen, bevor meine Geschwister mir mein Reich abnehmen. Ich kann es nicht allein bewältigen, nicht mehr. Es sind einfach zu viele, als dass ich es allein schaffen könnte. Seit damals habe ich nach einer Partnerin gesucht, und du bist die Letzte, Kate. Kommendes Frühjahr wird die Entscheidung fallen. Wenn du akzeptiert wirst, wirst du sechs Monate im Jahr mit mir als meine Königin regieren. Wenn nicht, wirst du in dein altes Leben zurückkehren, ohne jegliche Erinnerung an diese Zeit.“
„Ist das auch den anderen passiert?“, zwang ich mich zu fragen.
„Die anderen …“ Erneut ließ er seinen Blick in die Ferne wandern. „Ich will dir keine Angst machen, Kate, aber ich werde dichniemals belügen. Ich brauche dein Vertrauen, und ich will, dass du verstehst, dass du besonders bist. Bevor du gekommen bist, hatte ich aufgegeben.“
Krampfhaft verschränkte ich die Finger, damit meine Hände nicht zitterten.
„Was ist mit ihnen geschehen?“
„Einige sind verrückt geworden. Andere wurden sabotiert.
Keine von ihnen hat es bis zum Ende geschafft, geschweige denn die Prüfungen bestanden.“
„Prüfungen?“ Entsetzt starrte ich ihn an. „Sabotiert?“
„Wenn ich mehr wüsste, würde ich es dir sagen, aber das ist der Grund, aus dem wir so extreme Maßnahmen ergriffen haben, um dich zu schützen.“ Er zögerte. „Was die Prüfungen angeht: Es werden sieben sein, und auf ihrer Grundlage wird entschieden werden, ob du würdig bist, über die Toten zu herrschen.“
„Ich hab nie irgendwelchen Prüfungen zugestimmt“, erwiderte ich entnervt. „Was passiert, wenn ich bestehe?“
Unverwandt blickte er auf seine Hände.
„Dann wirst du eine von uns.“
„Uns? Du meinst, dann bin ich tot?“
„Nein, das meine ich nicht. Denk nach. Du kennst den Mythos, nicht wahr? Wer war Persephone? Was war sie?“
Angst durchzuckte mich, fuhr mir wie ein Dolch ins Herz. Wenn das, was er behauptete, der Wahrheit entsprach, hatte er Persephone gekidnappt. Er hatte sie gezwungen, ihn zu heiraten, und egal, was er sagte, ich konnte nicht anders, als mich zu fragen, ob er dasselbe mit mir tun würde. Doch der rationale Teil meines Ichs konnte das Offensichtliche nicht ignorieren.
„Du glaubst wirklich, du bist ein Gott? Du weißt, dass das irre klingt, oder?“
„Mir ist bewusst, wie es sich für dich anhören muss“, erwiderte Henry. „Ich habe dieses Gespräch schon mehrmals geführt. Aber ja, ich bin ein Gott – ein Unsterblicher, wenn du so willst. Eine körperliche Repräsentation eines Aspekts dieser Welt, und solange dieser Aspekt existiert, werde auch ich es tun. Wenn dubestehst, ist es das, was du ebenfalls werden wirst.“
Mir schwirrte der Kopf, und ich stand auf, so schnell es in diesen verdammten High Heels eben ging.
„Hör zu, Henry, das hört sich alles toll an und so, aber was du mir hier erzählst, ist ein Mythos, den sich Leute vor Tausenden von Jahren ausgedacht haben. Persephone hat nie existiert, und wenn doch, war sie keine
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