Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen
ruiniert, scheint mir. Vielleicht sollten wir einen Ersatz finden.“
„Ich hab Massen davon, wirklich.“ Ich sah zu meinem Schrank. „Ella wird es wahrscheinlich nicht mal merken.“
„Keine Diskussion“, bestimmte Henry. „Zieh dich um, und kühl deinen Knöchel. Ich komme gleich zurück und hole dich ab.“
Innerlich seufzend entschied ich, dass es keinen Sinn hatte. Er schien genauso entschlossen wie Ella, mich weiterhin in unzäh-lige kratzige Kleider zu zwängen. So langsam konnte ich kaum erwarten, dass es endlich Sommer würde, und wenn auch nur aus dem Grund, dass ich dann endlich wieder Jeans tragen durfte.
Bevor er hinausging, drehte Henry sich noch einmal um.
„Kate?“
Stirnrunzelnd starrte ich auf das Gewirr von Knöpfen, das das ruinierte Kleid überzog. Mit immer noch zitternden Fingern versuchte ich ziemlich erfolglos, sie zu öffnen.
„Ja?“
„Ich hab nur 164 Punkte geschafft.“
Schließlich brauchte ich doch Ellas Hilfe, um die Monstrosität aufzuknöpfen, in die sie mich an diesem Morgen hineingezwungen hatte. Während sie zu bedauern schien, dass ich das schreckliche Kleid endlich ausziehen konnte, hätte ich nicht glücklicher sein können – bis ich sah, womit sie es zu ersetzen gedachte.
Kurz darauf humpelte ich, auf Henrys Arm gestützt, einen unbekannten Korridor entlang und versuchte mich krampfhaft davon abzuhalten, an dem groben Stoff herumzuzerren. Es wareinfach unfair. Henry durfte Hosen tragen – selbst Ava konnte das, wenn sie wollte –, aber mit Ella als Herrscherin über meine Garderobe beschränkte sich meine Auswahl auf Kostüme aus dem Mittelalter. Sie mochte das für schön halten, doch ich hätte lieber Toga getragen als diese Folterinstrumente. Egal, wie oft ich sie trug, sie würden mir nie gefallen. Niemals. Und Ella wusste das. Genau deshalb tat sie mir das an, da war ich mir sicher.
Während ich mich fragte, ob es Punktabzüge gäbe, wenn ich in meiner Unterwäsche herumlief, öffnete Henry die Tür zu einem Raum, in dem ich noch nie gewesen war. Zuerst konnte ich über seine Schultern hinweg nicht viel erkennen, doch als er zur Seite trat, fiel mir die Kinnlade herunter. Die Niedergeschlagenheit, die mich erfasst hatte, als ich mein Testergebnis erfahren hatte, löste sich augenblicklich in Luft auf.
Der Raum war vollgestopft mit dicht an dicht hängender Kleidung, sortiert nach Größe und Farbe. Wie in einem Kostümver-leih gab es Kleider, Schuhe, Schals und vieles mehr.
Meine Beine schienen unter mir nachzugeben.
Pullover und Jeans .
„Ella hat erwähnt, dass du dich in den Kleidern, die sie für dich auswählt, nicht wohlfühlst“, erklärte Henry. „Zur Belohnung dafür, dass du in einem Test eine höhere Punktzahl erreicht hast als ich, halte ich eine neue Garderobe für angemessen.“
Ich starrte zuerst ihn an und dann Ella, die mir ein verhaltenes Lächeln zuwarf. Meinten sie das ernst?
„Oh mein Gott!“
Es kam nicht aus meinem Mund. Stattdessen erklang das hohe Kreischen hinter mir, und als ich herumwirbelte, sah ich Ava mit offenem Mund dastehen. Dicht bei ihr wartete Calliope, ihr Gesichtsausdruck genauso erfreut, wie ich mich fühlte.
„Sind die alle für dich? “, rief Ava und drängte sich an Ella vorbei, um sich neben mich zu stellen.
„Ich glaub schon“, gab ich mit einem Grinsen zurück. „Auch welche?“
Sie starrte mich an, als wäre mir ein zweiter Kopf gewachsen.„Ob ich auch welche will? “
Ich lachte und blickte zu Henry. „Darf sie?“
„Natürlich.“
Mehr brauchte es nicht. In Sekundenschnelle war Ava verschwunden und wühlte sich durch die mittelalterlichen Kleider, die ich nicht vorhatte, jemals anzurühren. Statt mich ihr anzuschließen, wandte ich mich an Calliope und Ella.
„Ihr zwei könnt euch auch nehmen, was ihr wollt“, sagte ich und sah wieder zu Henry. „Wenn dir das recht ist, meine ich.“
Er nickte. Genau wie Ava stürzten sich Ella und Calliope in den Raum und ließen mich mit Henry zurück. Mit einer Geste auf meinen Knöchel fragte er: „Schaffst du es ohne Hilfe durch den Raum?“
„Ich komme schon zurecht“, sagte ich mit einem begehrlichen Blick auf die Stapel von Pullovern. Selbst aus dieser Entfernung schienen sie nach mir zu rufen. Sosehr ich es genoss, in Henrys Nähe zu sein – mein hysterischer Anfall war mir immer noch peinlich, und ich wollte nicht, dass er dachte, ich würde es nicht ohne ihn durch den Tag schaffen. Auch wenn er immer genau zu wissen
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