Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen

Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen

Titel: Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aimée Carter
Vom Netzwerk:
wichtig bin?“
    „Ja“, murmelte ich beschämt. „Und wenn du mir daraus einen Strick drehen willst …“
    Mir blieb keine Zeit, den Satz zu beenden. In der einen Sekunde hatte er auf der anderen Seite des Zimmers gestanden, in der nächsten saß er neben mir und küsste mich so leidenschaftlich, dass ich völlig außer Atem war, als er seine Lippen schließ-lich von meinen löste.
    „Was …“, setzte ich an, doch er legte mir einen Finger auf die Lippen.
    „Es ist mir wichtig“, sagte er, und seine Stimme bebte. „Dubist mir so wichtig, dass ich nicht weiß, wie ich es dir sagen soll, ohne dass meine Worte im Vergleich zu meinen Gefühlen bedeutungslos erscheinen. Selbst wenn ich manchmal distanziert bin und so wirke, als wollte ich nicht bei dir sein, ist das nur, weil mir das hier genauso große Angst macht wie dir.“
    Sprachlos starrte ich ihn an. Er beugte sich vor und küsste erneut meine geschwollenen Lippen, und diesmal erwiderte ich seinen Kuss. Um uns herum schien die Zeit stillzustehen, und alles, was ich sehen, hören, schmecken, riechen und fühlen konnte, war er. Eine köstliche Wärme breitete sich in meinem Inneren aus, doch diesmal war es nicht mein Knöchel, den er heilte.
    Als er sich zum zweiten Mal von mir löste, ließ ich die Hände sinken und beobachtete ihn abwartend, unsicher, was ich als Nächstes tun sollte. Er richtete sich auf und erhob sich, doch keine Sekunde lang wandte er den Blick von mir ab.
    „Bitte“, sagte er. „Hör auf, zu essen.“
    Ich nickte, zu entwaffnet, um irgendeinen Protest zusammenzubekommen.
    „Danke.“ Er streckte die Hand aus, um sanft meine Wange zu streicheln, und dann ging er zur Tür. Bevor ich wieder einen zusammenhängenden Gedanken fassen konnte, war er fort.
    Ich fuhr mir mit der Zunge über die Lippen, konnte ihn dort immer noch schmecken und lächelte. Endlich, nach fast sechs Monaten, kämpfte er.
    An diesem Abend schlüpfte Henry, wie er es immer tat, eine Stunde nach dem Abendessen in mein Zimmer. Den ganzen Nachmittag hatte ich damit verbracht, mich zu fragen, wie es weitergehen würde, ob alles beim Alten bleiben oder ob es mehr von diesen schwindelerregenden Küssen geben würde. Doch als er schließlich kam, hatte ich beschlossen, dass das keine Rolle spielte. Es war mehr als genug, zu wissen, dass ich nicht länger allein um seine Existenz kämpfte.
    „Es tut mir leid“, sagte er und blieb unentschlossen an der Tür stehen. Ich lag auf dem Bett und spielte mit Pogo, der eineganze Reihe von neuen Spielzeugen hatte, mit denen er sich vergnügen konnte. Als ich aufblickte, schloss Henry gerade die Tür. „Wie ich mich vorhin verhalten habe, war unangemessen.“
    Einen furchtbaren Moment lang dachte ich, er würde sich dafür entschuldigen, dass er mich geküsst hatte. Erst als ich schon alle Farbe aus meinem Gesicht weichen spürte, begriff ich – es tat ihm leid, dass er so wütend geworden war, dass ich immer noch aß. Alles, was ich da noch herausbrachte, war ein nervöses Lachen.
    „Du hast bloß versucht, mich zu warnen. Ich hab heute Abend eine letzte Mahlzeit zu mir genommen, aber jetzt bin ich damit durch, versprochen.“
    Die griechischen Nudeln mit Meeresfrüchten, bei deren bloßem Anblick ich normalerweise vor Heißhunger fast unzurechnungsfähig wurde, hatten für mich geschmeckt wie Sä-gemehl. Ich hatte nicht mehr als ein paar Bissen geschafft. Von jetzt an würde es kein Essen mehr geben. Ich hatte Henry etwas versprochen und gedachte, mein Versprechen auch einzuhalten.
    Zögernd trat er einen Schritt auf mich zu. „Trotzdem. Ich hätte dich nicht so anfahren dürfen, wie ich es getan habe. Das hast du nicht verdient.“
    „Du hast dir Sorgen gemacht.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ich will bestehen, und hättest du’s mir nicht gesagt, hätte ich nicht aufgehört zu essen. Also danke.“
    Nun durchquerte er den Raum und setzte sich neben mich aufs Bett. Er hob ein kurzes Tau mit dicken Knoten an den Enden auf, und begeistert kläffend ließ Pogo den Knochen fallen, den ich ihm gegeben hatte. Ohne Rücksicht auf Verluste zog und zerrte mein kleiner Fellball knurrend an dem Spielzeug.
    „Er ist ziemlich entschlossen“, bemerkte Henry lächelnd.
    „Stur wie ein Esel“, bestätigte ich. „Und er scheint zu glauben, er wär auch mindestens genauso groß.“
    Henry lachte leise, und ich war so erleichtert, ihn wieder glück-lich zu sehen, dass ich das zaghafte Klopfen an meiner Tür fast

Weitere Kostenlose Bücher