Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
kannte seine Wut keine Grenzen. Der kleine Verwalter galoppierte ins Dorf und stellte die Pächter zur Rede. Er thronte auf dem Rücken des größten Jagdpferdes und sah mit flammenden Blicken auf die Männer und Frauen hinab.
»Ich werde nicht ruhen, bis ich den Dieb gefunden habe!«, geiferte er. »Der Kerl wird von Haus und Hof vertrieben werden und seine nichtsnutzige Familie mit ihm! Und ihr werdet mir dabei helfen! Ja, schaut nicht so, genau das werdet ihr tun! Ich nehme ab heute Hinweise entgegen, und ihr habt eine Woche Zeit, mir den Dieb zu liefern. Wenn ihr ihn nicht findet, geht ihr alle! Glaubt bloß nicht, ich könnte das dem Lord gegenüber nicht verantworten. So ein Pack wie ihr streunt haufenweise auf den Straßen rum, ich hab die Häuser im Handumdrehen wieder voll – und allein mit Männern, Leute! Nicht mit Familien, deren zehn Bälger wir auch noch durchfüttern müssen!«
Die Menschen blickten verängstigt zu Boden. Trevallion hatte Recht. Den Landlord scherte es nicht, wer seine Felder bearbeitete.Die Straßen von Wicklow waren voller Männer auf der Flucht vor der Hungersnot. Die Kinder waren ihr längst zum Opfer gefallen, oft auch die Frauen. Sie blieben einfach am Straßenrand liegen und starben, wenn sie nichts mehr zu essen fanden.
»Nun halt aber ein, Ralph Trevallion!«, meldete sich Father O’Brien mit strenger Stimme. »Es waren doch nur ein paar Säcke Korn, Viehfutter, wie du selbst sagst. Eine Schande, dass du es nicht längst gespendet hast, siehst du denn nicht, was hier vorgeht? Können deine Gäule kein Heu fressen?«
»Und meiner Treu, wir wissen nichts!«, fügte Ron Flannigan hinzu, ein älterer Vorarbeiter. »Wir backen unser Brot alle im gleichen Ofen, Mr. Trevallion, und glauben Sie mir, jeder hier würd’s riechen, wenn in irgendeinem Haus ein Brei gekocht oder Getreide geröstet würde. Wir träumen von solchen Düften, Herr!«
Trevallion funkelte ihn an.»Mir ist ganz gleich, wovon ihr träumt! Ich kann euch nur versichern, dass ich eure ärgsten Albträume wahr werden lasse, wenn ihr nicht spurt. Eine Woche, Leute! Dann werdet ihr mich zu spüren bekommen!«
Damit wendete er sein Pferd und ließ ein Dorf voller verwirrter, verzweifelter Bauern und Pächter zurück.
»Wir haben doch nichts gemacht …«, rief Flannigan ihm noch nach und wiederholte den Satz dann ein weiteres Mal, leise und hoffnungslos.
Father O’Brien schüttelte den Kopf. Dann entdeckte er Kathleen, die mit ihren Eltern etwas abseits gestanden hatte. »Mary Kathleen, du musst mit ihm reden!«, sagte der Priester leise zu ihr. »Du … er bringt dich am Sonntag heim mit dem Segen deiner Eltern und …« Der alte Priester ließ einen vielsagenden Blick über Kathleens Gestalt schweifen. »Du scheinst ihm auch sonst nahezustehen«, bemerkte er. »Auf dich wird er hören. Bitte ihn um Gnade für die Pächter. Um … um seines Kindes willen.«
Kathleen errötete zutiefst. »Father … Father … welches … welches Kindes? Ich … ich hatte nie mehr zu tun mit Ralph Trevallion als jeder andere hier!«
Der Priester sah dem Mädchen in die Augen. Sein Blick war fragend, streng – aber Kathleen erkannte auch Mitleid darin. Ob für sie oder für die Pächter, das Kind oder gar Trevallion, dessen Hoffnungen auf Kathleens Liebe zerstört werden würden … Kathleen wusste es nicht, sie hielt dem Blick auch nicht länger stand. Es war nicht Trevallion, mit dem sie sprechen musste, es war Michael!
Wo steckt er überhaupt?, dachte Kathleen voller Ungeduld. Während Trevallions Ausbruch hatte sie ihn nicht gesehen. Aber sie war fest davon überzeugt, dass ihr Geliebter irgendetwas mit dem Diebstahl des Korns zu tun hatte. Es musste etwas damit zu tun haben, an Geld für die Hochzeit zu kommen und die Überfahrt nach Amerika. Aber es durfte nicht sein, dass unschuldige Menschen dafür zahlten! Michael musste das Korn zurückgeben. Es musste sich eine Möglichkeit finden, es ebenso unauffällig wieder in die Scheune zu schaffen, wie es verschwunden war.
Unter dem forschenden Blick des alten Priesters zog sich Kathleen zurück. Wenn Michael bereits geflohen war, wenn er nichts dem Zufall überließ, würde er sie zweifellos irgendwann abholen. Hoffentlich war es dann nicht schon zu spät. Womöglich hatte er die Säcke bis dahin längst nach Wicklow oder sonst wohin verkauft!
Während die Dörfler noch diskutierten, rannte Kathleen hinunter zum Fluss. Sie hatte eigentlich nicht viel Hoffnung, dass
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