Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
und ebenfalls spitzenbesetzt. Claire würde ein solches Kleid nie nähen können. Aber Kathleen?
Sie war wie erschlagen von der Fülle an Schnittvariationen, die das Heft bot. Puffärmel, runde und eckige Kragen, Volants, Matrosenkleider und Fischbeinkorsetts – in Irland hatte man diese Vielfalt höchstens an Lady Wetherby bewundern können, und selbst die hatte auf ihrem Landsitz meist eher schlichte Haus- und Reitkleider getragen.
»Es muss ein bisschen kürzer sein«, meinte Kathleen schließlich. »Wenn du es hier bis auf den Boden fallen lässt, verdirbst du es dir. Aber sonst – es ist wunderschön! Und natürlich kriegen wir es hin! Matt wird begeistert sein!«
Claire nickte, wirkte aber nicht übertrieben hoffnungsvoll, was Kathleen mit Sorge erfüllte. Wo blieben Claires überschäumender Optimismus und ihre Überzeugung, von Matt über alles geliebt zu werden?
Früher hätte Claire eine derartige Bemerkung mit einem Lächeln der Vorfreude quittiert, aber jetzt brauchte sie eher ein paar Herzschläge, um sich zu fangen, nachdem Kathleen ihren Mann erwähnt hatte. Erst dann lachte sie wieder.
»Wir fangen gleich damit an!«, bestimmte sie vergnügt. »Du nimmst bei mir Maß und schneidest zu. Und ich helfe dann beim Nähen. Reicht der Stoff überhaupt?«
Der Stoff reichte nicht nur für ein Kleid für die kleine, zierliche Claire, sondern obendrein für einen Rock für Kathleen. Die schlug zwar vor, lieber noch ein Kleidchen für Chloé daraus zu nähen, aber davon wollte Claire nichts wissen.
»Nein, wenn du all die Arbeit für mich machst, musst du auch was davon haben! Ian ist doch genau wie Matt – für dich kauft er nie was!«
Das stimmte, obwohl Kathleen sich über die Formulierung wunderte. Genau wie Matt – bröckelte da etwa Claires uneingeschränkte Begeisterung für ihren Ehemann? Aber es war natürlich kaum zu übersehen, dass sich weder Matt noch Ian besonders spendabel zeigten, wenn es um ihre Frauen ging. Claire besserte immer wieder ihre alten Kleider aus, und Kathleen trug seit Jahren nichts anderes als Kattunkleider, den Stoff erstand Ian irgendwo billig. Ob er zu Kathleens Teint, ihrer Haarfarbe und ihren Augen passte, war ihm völlig egal, sie nähte ihre Kleider daraus nach den alten Schnitten, mittels derer schon ihre Mutter hauptsächlich Umstandskleider geschneidert hatte.
Der neue Rock betonte nun den Goldton ihres Haars und ließ ihre Augen leuchten. Schade nur, dass ihre Blusen aus genauso billigem Material waren wie ihre Kleider! Aber die großzügige Claire bestand darauf, dass sie auch die restliche Spitze nahm und ihre beste, zartgrüne Bluse damit besetzte.
Kathleen konnte sich kaum an ihrem eigenen Anblick sattsehen, als sie sich schließlich in Claires altem Spiegel betrachtete. Und noch aufregender wirkte Claires neuer Staat.
»Ich glaube es nicht!«, jubelte die junge Frau, als sie sich vor dem Spiegel drehte, der natürlich zu klein war, um sich ganz anzusehen. »Es sitzt perfekt! Wirklich, Kathleen, in Liverpool haben wir beim besten Schneider der Stadt nähen lassen, aber schöner hat er es auch nicht hinbekommen. Woher kannst du das?«
Kathleen zuckte die Schultern. Der Umgang mit Nadel und Faden war ihr immer leichtgefallen. Natürlich war ihr Vater Schneider gewesen, und sie hatte sich einiges abschauen können, aber so aufwändige Damenkleider hatte James O’Donnell selten genäht. In guten Jahren war natürlich mal ein Hochzeitskleid in Auftrag gegeben worden, und auch Lady Wetherby hatte ab und an etwas ändern lassen. Letzteres hatte oft Kathleen selbst übernommen, als sie in dem großen Haus diente. Kleider hatten sie immer interessiert.
»Du könntest damit Geld verdienen!«, rief Claire jetzt begeistert. »Weißt du, was wir machen? Wenn dein Ian wieder für ein paar Tage weg ist, hole ich dich ab, und wir fahren zusammen nach Christchurch!«
Claire unternahm solche Ausflüge gelegentlich, seit die Edmunds das neue Maultier besaßen. Wenn Artemis, die Kathleen und Matt schlicht Missy nannten, nicht in der Landwirtschaft gebraucht wurde, hatte Matt nichts dagegen. Er schien es nur lästig zu finden, dass Claire stets sprudelnd vor Begeisterung nach Hause kam und alle Neuigkeiten vor ihm ausbreitete. Kathleen hatte zweimal miterlebt, wie er sie scharf dafür tadelte. Ihre Freundin hatte dann enttäuscht geschwiegen.
»Wir ziehen unsere neuen Sachen an und gehen in den Laden von der alten Broom. Der werden die Augen aus dem Kopf fallen! Und
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