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Das Gold der Maori - Das Gold der Maori

Titel: Das Gold der Maori - Das Gold der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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zeichnete sich jetzt schon ab, dass er seine kantigen Züge geerbt hatte. Er war ein ausgesprochen kluger Junge, neigte aber ein bisschen zum Träumen. Sein Gerechtigkeitssinn war überdurchschnittlich ausgeprägt. Manchmal brauchte er Stunden, um die Pferde zu füttern, weil er die Heuhalme abzählte, um nicht einem mehr zu geben als dem anderen.
    »Vielleicht wird er mal Richter!« Claire sah ihre Freundin hoffnungsvoll an.
    Kathleen zuckte die Schultern. Sie konnte sich Sean auch als rechtschaffenen Landwirt oder – sofern sich ein Schulbesuch ermöglichen ließ! – als Priester vorstellen. Lediglich eine Laufbahn als Pferdehändler war mit seinen Eigenheiten kaum vereinbar.
    Die beiden kleinen Mädchen, Chloé und Heather, zeigten noch keine besonderen Merkmale, nur äußerlich schienen beide ganz nach ihren Müttern zu kommen. Claire hoffte, dass Heather einmal so schön werden würde wie Kathleen, und Kathleen ihrerseits wünschte ihrem Patenkind Chloé Claires sprühendes Wesen und ihre Aufgeschlossenheit für Neues. Wie etwa die bunt gesprenkelten Teekuchen, die Kathleen sich jetzt misstrauisch näher ansah.
    »Was ist das überhaupt?«, fragte sie und versuchte, ein Stück leuchtend roter, kandierter Kirsche aus ihrem Gebäck zu klauben, um es näher zu untersuchen. »Hast du das selbst gemacht?« Letzteres konnte sie kaum glauben. Claire hatte zwar Techniken erlernt, die ihr die Hausarbeit erleichterten, aber nach wie vor zeigte sie dafür kein Talent.
    »Das sind Früchte«, gab Claire eifrig Auskunft. »Eingelegt und gekocht in Zucker und Saft. Ich weiß nicht genau, wie man das macht, aber schmecken sie nicht köstlich? Ich hab sie …«
    Bevor Claire erläutern konnte, woher die Köstlichkeiten stammten, stürmten die beiden kleinen Jungen das Wohnzimmer und stürzten sich auf das Blech mit den Teekuchen. Colin schubste Sean zur Seite, der daraufhin nicht minder ruppig zurückschlug. Kathleen musste die Brüder trennen. Sie hielt sie am Kragen auseinander wie zwei knurrende Welpen am Nackenfell.
    »Essen, nicht zanken!«, schimpfte sie streng. »Und erst mal Guten Tag sagen!« Sie wies auf Claire, von der die beiden Kinder bislang keine Notiz genommen hatten.
    Sean reagierte sofort ernüchtert, gab nach kurzer Überlegung die Hand und produzierte dazu einen formvollendeten Diener. Colin schenkte Claire sein gewinnendes Grinsen, verbeugte sich kurz und fragte nach ihrem Wohlergehen. Kathleen fiel dieser Unterschied immer wieder ins Auge. Sean war höflich, aber unaufdringlich, während Colin jede Gelegenheit nutzte, mit seinem Gegenüber ins Gespräch zu kommen und es dabei in Windeseile um den Finger zu wickeln.
    »Die Früchte sind von meiner Mutter!«, verkündete Claire nun endlich ihre große Neuigkeit. »Ich hatte ihr von Chloés Geburt berichtet, und jetzt hat sie eine Kiste voller Überraschungen geschickt!«
    »Noch mehr Porzellan?«, fragte Kathleen skeptisch.
    »Nein, aber Schulbücher!«, freute sich Claire. »Ein Lexikon! Und kandierte Früchte, weil ich die doch so mag. Stoff für ein neues Kleid – ich habe ihr geschrieben, dass ich jetzt selbst nähe!«
    Kathleen lächelte. Das war eine sanfte Untertreibung. Claire brachte für Näharbeiten ebenso wenig Begabung auf wie für jede andere Hausarbeit, aber immerhin konnte sie inzwischen ihre eigenen und Matts Sachen ausbessern und schaffte auch einfache Kinderkleidchen.
    »Schau, wird mir das nicht wunderbar stehen?«
    Claire suchte in der verheißungsvollen Seekiste aus England nach dem Stoff und hielt ihn sich an. Er war wirklich schön, ein lichtes Goldbraun, das ihre Augen strahlen ließ. Außerdem enthielt die Kiste cremefarbene, handgeklöppelte Spitze. Man konnte das Kleid damit verzieren oder sogar ein Hütchen daraus zaubern.
    »Aber beim Nähen hilfst du mir doch?«, bat Claire ihre Freundin. »Sieh, ich will das hier! Schaffen wir das?«
    Damit förderte sie einen Schwung Zeitschriften aus der Kiste und breitete sie vor Kathleen aus, die sie mit großen Augen studierte. Kathleen Coltrane war zweiundzwanzig Jahre alt, und sie sah zum ersten Mal in ihrem Leben eine Frauenzeitschrift. Claire wies auf die Zeichnungen, die Frauen in den neuesten Pariser Kollektionen zeigten, und hatte sich auch schon ein Kleid ausgesucht. Eng geschnitten natürlich, ihre schlanke Taille betonend und selbstverständlich nur zu tragen, wenn man sich schnürte. Der Rock fiel in Volants, die man gut mit Spitze absetzen konnte, der Ausschnitt war rund

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