Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
den Kopf. »Nicht hier. Auf Südinsel – Te Wakaa-Maui – wir nie waren viele. Nur ein Stamm, die Ngai Tahu und noch ganz wenig im Norden. Haben nichts gegen pakeha – wenn sie ehrlich bezahlen unser Land und unsere Arbeit. Muss man aufpassen, viele Gauner! Aber unsere Häuptlinge klug, nicht viel streiten miteinander. Auf Nordinsel anders, da viele Stämme, viel Verträge … In Waitangi Häuptlinge geschlossen Vertrag mit pakeha , aber trotzdem oft gibt Ärger.«
»Hier sind die Leute ganz froh, wenn sie Arbeit bekommen«, warf John ein.
Pere grinste ihn an. »Und Geld und Töpfe und Decken und warme Kleider«, gab sie zu. »Wer mag nicht bisschen bessere Leben?«
Kathleen und Claire nickten einhellig. In ihrem Leben fehlte der Luxus, trotz der recht guten Einnahmen, die Claire im Kuhstall unter dem Mist versteckte und Kathleen hinter einem losen Stein an ihrem Kamin. Beide lebten in der paradoxen Situation, dass sie nichts ausgeben konnten, ohne ihre Männer auf ihr Einkommen aufmerksam zu machen. Nun schauten sie sehnsüchtig auf Peres behagliches Heim, die Kissen auf den Stühlen, die von Maori-Frauen gewebten Wandbehänge und die kleinen Skulpturen aus Pounamu-Jade.
»Das hei-tiki !«, erklärte Pere und beschenkte Claire und Kathleen großzügig mit zwei winzigen Götterstatuen aus Jade an Lederbändern.
Claire besah ihren Anhänger ehrfürchtig, während Kathleen ihn rasch unter ihren Kleidern verschwinden ließ. Es gefiel ihr, einen Glücksbringer zu haben, aber sie durfte gar nicht daran denken, was Ian sich vorstellte, wenn er ihn fand. Am besten ließ sie ihn in dem Geheimfach verschwinden, in dem sie Michaels Brief und seine Locke – sowie jetzt auch ihr Geld – aufbewahrte.
Claire gesellte sich jetzt zu den kleinen Sternguckern und nahmihre Tochter in den Arm. »Dies ist die Milchstraße«, erklärte sie und wies in den Himmel.
Pere lächelte. »Wir nennen sie Te Ika o te Rangi!«, erklärte sie. »Und da ist Matariki! Ganz wichtig für Bestimmung von Neujahr – großes Fest!«
»Die Plejaden!«, übersetzte Claire. »Aber wie nennt man diesen Stern da, Pere? Für den weiß ich gar keinen Namen.«
Die Maori-Frau antwortete geduldig, und Claires Wunsch, ihre neuen Sterne besser kennen zu lernen, ging endlich in Erfüllung.
Kathleen war der Sternenhimmel dagegen egal. Während Claire und die Kinder lachend Maori-Worte wiederholten, prägte sie sich eher die Namen der pakeha -Siedlungen ein, die John aufzählte. Greymouth und Westport, Nelson und Blenheim, Dunedin und Queenstown. Zu den Sternen würde sie doch nie reisen. Aber vielleicht fand sich ja gleich hier, auf der Südinsel Neuseelands, ein Platz für sie und ihre Kinder, an dem sie vor Ians Unterstellungen, Schlägen und Schmähungen sicher war.
Claire mochte die Sterne benennen können – Kathleen war entschlossen, auf die Dauer nach ihnen zu greifen!
Dennoch vergingen weitere Jahre – man schrieb das Jahr 1858 –, bevor sie ernstlich daran dachte, ihre Fluchtpläne wahrzumachen – und den Anstoß dafür gab schließlich nicht Kathleens zunehmende Verzweiflung oder Seans immer schlechter werdendes Verhältnis zu Ian. Es war ausgerechnet Matt Edmunds, der den Stein ins Rollen brachte.
Sean war elf, Colin zehn Jahre alt, und beide Jungen besuchten die Schule in Christchurch. Natürlich war der Weg dorthin lang, aber Sean ritt die zehn Meilen gern – er dürstete nach Wissen und gehörte von Anfang an zu den besten Schülern. Dank Claires Unterricht konnte er auch schon seit langem lesen und schreiben, rechnete sicher und verstand sogar ein wenig Latein. Er hatte das halbe Lexikon durchgelesen und sich dabei bemerkenswerte Kenntnisse bezüglich weitgehend überflüssiger Dinge angeeignet. Schon inden ersten Tagen verblüffte er seine Lehrer durch den mehr oder weniger richtigen Gebrauch von Wörtern wie Absolution und eruieren, sodass man ihn erst eine und letztendlich sogar drei Klassen überspringen ließ. Auch unter den älteren Mitschülern gehörte er zu den Besten, und man sprach schon von späterer Aufnahme in das im Aufbau befindliche würdige Christ’s College.
Colin machte die Schule weniger Spaß. Auch er konnte dank Claires Stunden die erste Klasse überspringen und hätte sicher auch die zweite nicht besuchen müssen, aber der Junge zeigte wenig Ehrgeiz. Für seinen späteren Beruf als Viehhändler – das erklärte er jetzt schon, und Kathleen nahm an, dass er damit Ians Meinung wiedergab – brauchte er
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