Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
beunruhigt. Sie schien den Ernst der Lage noch nicht zu begreifen.
»Sie haben euch rausgeworfen?« Auch Kathleen verstand nichts, obwohl die Erinnerungen an Irland sie geradezu überfielen. Grainné Rafferty am Kai in Wicklow … Die Hütte der Drurys, niedergerissen und abgebrannt … »Aber das geht doch nicht, Claire, dies hier ist ein freies Land! Es gibt keine Landlords, es gehört nicht den Engländern, es gehört …«
»Die Leute sagten, sie hätten es gekauft«, erläuterte Chloé. Für ihre acht Jahre war sie ein recht verständiges Mädchen, das sich sehr klar ausdrücken konnte. »Mit allem In… In…«
»Inventar«, ergänzte Claire mechanisch und schien darüber die Sprache wiederzufinden. »Sie konnten es auch beweisen. Der Kaufvertrag war fraglos korrekt. Matt, der Schuft …«
»Matt hat euch das Haus über dem Kopf verkauft?«, fragte Kathleen entsetzt.
Claire nickte. »Vielleicht betrachtete er uns auch als Bestandteildes Inventars«, bemerkte sie bitter. »Allerdings waren die Käufer sehr erbost darüber, uns noch anzutreffen. Matt wäre jedenfalls schon weg, meinten sie. Er hat das Geld für den Hof in Anteile an einem Schoner gesteckt, ein Frachtschiff. Mit dem segelt er jetzt nach China.«
Kathleen sah ihre völlig aufgelöste, verschreckte Freundin an und wurde auf einmal ganz ruhig. Sie hatte die Entscheidung so lange aufgeschoben, aber jetzt nahm das Schicksal sie ihr aus der Hand. Sie konnte Claire nicht gehen lassen – alles in ihr wehrte sich dagegen, in das freudlose Leben vor ihrer Ankunft zurückzukehren. Und Claire allein war auch viel zu wohlerzogen und unbedarft, um allein in Christchurch oder Lyttelton zu überleben. Kathleen atmete tief durch.
»Was ist mit deinen Kleidern, Claire?«, fragte sie als Erstes.
Für Claires Garderobe hatte Matt sich nie interessiert, dafür hatte ihre Mutter mitunter Stoff geschickt. Claire und Chloé besaßen insofern eine vielseitige, mit Kathleens Hilfe erstellte Garderobe, die ihren ganzen Stolz darstellte. Die Kleider waren wie neu, schließlich hatten die beiden kaum Gelegenheit, sie anzuziehen.
Claires Augen schienen Blitze zu schleudern. Anscheinend kam sie nun wirklich wieder zu sich, und ihr Entsetzen wich einem gesunden Zorn.
»Gehörte zum Inventar!«, ereiferte sie sich. »Ich wollte etwas zusammenpacken, aber die Frau hat sofort gesehen, dass ich nicht nur so ein altes Zeug habe wie dies hier.« Claire trug ein verschlissenes Hauskleid, wahrscheinlich hatte sie im Garten gearbeitet, als das Unglück über sie hereinbrach. »Jedenfalls hat sie sich fett und behäbig vor meinem Schrank platziert und gesagt, die wertvollen Stücke wären mit dem Hof gekauft worden.«
»Das sollte sich anfechten lassen«, überlegte Kathleen. »Ein Advokat aus Christchurch …«
Claire winkte ab. »Ach, vergiss es, die verkaufen das Zeug, bevor der Anwalt da nur aufkreuzt. Außerdem …«, sie lächelte grimmig, »… haben wir dafür schließlich die Tiere!«
»Die in diesem Fall nun wirklich zum Inventar gehörten, oder?«, fragte Kathleen. »Wie hast du geschafft, sie an dich zu bringen?«
Claire blickte jetzt fast übermütig. »Sie waren im Wald, beim Elfenplatz!«, berichtete sie. »Und die neuen Leute hatten ja genug damit zu tun, aufzupassen, dass ich ja nichts aus dem Haus entferne. Also sind wir erst zum Fluss gelaufen und haben uns dann um den Hof herum ins Wäldchen geschlichen. Und hier sind wir!«
»Ihr solltet bloß nicht zu lange bleiben«, riet Kathleen. »Garantiert zeigen sie den Diebstahl an.«
Über Claires Gesicht zog ein Schatten. »Das … das meinst du nicht ernst …«, flüsterte sie. »Du … du wirfst uns auch raus? Ich dachte …«
Kathleen schüttelte ungeduldig den Kopf. »Hör auf mit dem Unsinn, natürlich werfe ich euch nicht auf die Straße! Aber du musst doch einsehen, dass sie hier zuerst suchen! Spätestens, wenn sie erfahren, dass wir befreundet sind. Außerdem wird Ian dich hier nicht dulden. Aber das ist sowieso unwichtig. Wir gehen beide weg. Wir zwei und die Kinder.«
»Wir gehen beide weg?« Claires Augen wurden riesig. »Du willst … Ian verlassen?«
Kathleen nickte entschlossen. »Schon lange. Ich bin’s leid, beleidigt und geschlagen zu werden. Allein hab ich mich bloß nicht getraut. Aber jetzt lass das mal, wir müssen planen. Als Erstes sollten die Tiere in den Stall. Sean …« Sie wandte sich suchend um und sah nicht nur ihren Ältesten, sondern auch die beiden anderen Kinder. Sean
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