Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
seltsam geformte Segel ebenfalls für Sicherheit sorge. Es war nicht viereckig, sondern oval, und lief in zwei Schenkel oder Scheren aus.
»Das macht das Boot schneller«, sagte Kahu. »Und außerdem liegt es dadurch sicherer im Wasser, wenn Wind weht. Eine sehr wichtige Erfindung – nur die pakeha sind bis heute noch nicht darauf gekommen!« Kahu lächelte ermutigend, während er Lizzies Bündel an Bord warf. »Du brauchst dich wirklich nicht zu fürchten, pakeha wahine !«, fügte er sanft hinzu. »Es tut mir leid, wenn ich gestern schroff zu dir war, mir war nicht klar, dass die Reise dir Angst macht.«
Lizzie nickte. Sie hatte inzwischen über die Worte nachgedacht, die Kahu am Tag zuvor zu seinem Onkel gesagt hatte. Kupe war der erste Einwanderer aus Polynesien gewesen, der Neuseeland erreichte, und Kura-maro-tini seine Frau. Kahu musste sich und Lizzie mit den beiden verglichen haben – der Häuptling hatte vermutet, dass Kahu sich Liebeslohn für die Fahrt auf die Südinsel erhoffte. Das hatte ihm nicht behagt, aber Lizzie verstand, dass Kahu sie nicht gleich heiraten wollte. Sie war grundsätzlich bereit, sich ihm als Dank für ihre Rettung hinzugeben. Männer bestanden nun einmal auf solche Belohnungen, und auch wenn sein Gesicht sie abstieß: Kahus Körper war straff und beweglich. Mit ihm zu schlafen würde zweifellos angenehmer sein als die Nächte mit Martin Smithers.
»Was heißt hauwhenua ?« fragte sie, um das Gespräch auf unverfängliches Terrain zu bringen.
Kahu lächelte. »Wind, der vom Lande weht«, verriet er ihr. »Das Kanu soll uns forttragen von der Küste.«
Schließlich geleitete fast das ganze Dorf die Reisenden zum Wasser. Allen voran schritten der Häuptling, seine unberührbare Tochter und mehrere Priester. Auch die Abfahrt mit dem waka ama verlief nicht ohne Gesänge und Segnungen.
Kahu half Lizzie schließlich galant ins Boot. Das Mädchen musste lächeln. Hier waren sie, am Strand von Aotearoa, umringt von ein paar singenden und tanzenden halbnackten Eingeborenen, aber Kahu verhielt sich wie ein artiger Galan, der seine Liebste im Hyde Park zu einer Ruderpartie einlud. Kahus Verhalten war eine Mischung aus Stammesbräuchen und der englischen Erziehung durch seine europäischen Lehrer. Lizzie fragte sich, was letztlich triumphieren würde.
Kahu führte die Hauwhenua zunächst in die der Südinsel abgewandte Richtung. Er hielt es für sinnvoller, die Nordinsel auf der Westseite über die Tasmansee zu umfahren. Lizzie geriet fast in Panik, als das Land außer Sicht geriet, aber ihr Maori-Begleiter lachte nur. Es klang allerdings etwas bitter.
»Du traust mir wirklich nicht, oder, Elizabeth? Ist es, weil ich kein Weißer bin? Oder weil du mich für einen Herumtreiber hältst?«
Lizzie schob das Tuch zurecht, das sie um ihr Haar gewunden hatte. Es war empfindlich kalt auf See. Dann versuchte sie zu lächeln. »Ich … es ist nur … es ist nur, dass das Schiff so klein ist. Und … und du bist gar kein Seemann.«
Kahu lachte jetzt ehrlich. »Ich bin zum Seemann geboren, Elizabeth, wie alle Männer der Stämme. Hast du die Maori-Kinder nie mit ihren kleinen Kanus in den Buchten gesehen? Aber ich kann dich sogar anderweitig beruhigen. Ich bin auf einem englischen Dreimaster gefahren, von Tamaki Makau Rau nach London.«
»Du warst in London?« Lizzie richtete sich auf. Sie konnte es kaum glauben. Tamaki Makau Rau war die Maori-Bezeichnung für Auckland.
Kahu nickte. »O ja, ich wollte es mal sehen. Deshalb habe ich auf einem englischen Schiff angeheuert. Man muss den Feind kennen, wenn man ihn erfolgreich bekämpfen will. Und ich wollte wissen, was die pakeha vorhaben. Was sie aus unserem Land machen werden, wenn wir sie lassen. Ich sage dir gleich, dass es mir nicht gefiel.«
Lizzie zuckte die Schultern. »Na ja, London. Es ist nicht übel, aber das Hafenviertel …«
»Es ist eine Kloake, Elizabeth!«, brach es aus Kahu heraus. »Das weißt du doch selbst. Natürlich gibt es auch schöne Häuser, große Häuser und reiche Leute. Aber der Stamm hält nicht zusammen. Die Gesellschaft ist verrottet. Ich habe diese Kinder in den schlechten Vierteln gesehen, die nur die Wahl haben, zu stehlen oder zu verhungern. Ich kann mir vorstellen, wie dein Gestern aussah.«
Lizzie errötete. »Hast du …?«
»Ob ich mir ein pakeha -Mädchen gekauft habe für eine Nacht?« Kahu schüttelte den Kopf. »Nein. Aber nicht, weil ich ein so guter Mensch bin – tut mir leid, wenn ich dich da
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