Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
an Michael dachte.
Lizzie hob die Hand und streichelte sanft über die Tätowierungen auf Kahus Wange. Die Zeichen eines Häuptlings. » Haere ra , Kahu Heke«, sagte sie leise. »Ich hoffe, die Götter meinen es gut mit dir.«
K APITEL 8
Lizzie watete an Land – Kahu hatte das auffällige Häuptlingskanu nicht in den kleinen Hafen von Kaikoura fahren wollen, sondern hatte sie einfach an einem Strand nahe der Ansiedlung aussteigen lassen. Nun zog sie wieder Schuhe und Strümpfe an und machte sich auf dem Weg in die Stadt. Oder nannte man das besser ein Dorf? Die Ansiedlung war wunderschön gelegen, vom Meer aus hatte sie im Sonnenlicht sehr anziehend gewirkt. Von Nahem aber beleuchtete die Sonne auch Schmutz und Verwahrlosung.
Ursprünglich war es eine Walfängerkolonie, hatte Kahu gesagt, und genau so sah es auch aus, wobei Lizzie bisher natürlich nie eine solche gesehen hatte. Aber sie kannte die Hafenviertel in London, und sie wusste, wie ein Ort aussah, in dem hauptsächlich Männer – und zu junge, verlorene und wenig häusliche Mädchen Unterkunft fanden. Kaikoura bestand aus billig zusammengehauenen Holzhäusern, viele in verschiedenen Stadien des Verfalls. Hier hatte man nicht in dem Sinne gesiedelt wie in Nelson. Alles war darauf zugeschnitten, den Vagabunden, die Wale jagten und Seehunden die Felle abzogen, ein vorübergehendes Dach über dem Kopf zu schaffen. Niemand blieb lange, niemand nahm sich eine Frau für länger als ein paar Stunden, niemandem gehörte irgendetwas. Die einzige Ausnahme bildeten ein paar ärmliche Fischerhütten, in denen ganz sicher kein Hausmädchen gebraucht wurde. Ein Kolonialwarenladen verkaufte allen möglichen Krimskrams, von Verpflegung bis zum Angelhaken, aber auch hier schüttelte der Inhaber den Kopf, als Lizzie nach Arbeit fragte.
»Das schaff ich allein mit meiner Frau«, meinte er. »Und – gütiger Himmel – ein Zimmermädchen! Womöglich mit Häubchen und Schürzchen! Meine Allison würde sich ja kranklachen, wenn ich ihr damit käme!«
»Rausschmeißen würde sie dich!«, bemerkte die bärbeißige, vierschrötige Frau, die eben aus einem der Hinterzimmer in den Laden kam. Sie war einen Kopf größer als ihr eher zwergenhaft wirkender Gatte und hielt zweifellos das Heft in der Hand. »Weiß doch jeder, was in den hochherrschaftlichen Häusern los ist, zwischen dem Herrn und dem Kammerkätzchen!«
Lizzie fragte sich, woher das jeder wissen sollte. Sie wurde schon wieder rot. »Ich bin ein ehrbares Mädchen!«, behauptete sie. »Und ich … ich habe Zeugnisse.«
Die besaß sie tatsächlich – geschrieben von Kahu Heke, dessen Ausbildung in der Missionsschule wirklich keine Wünsche offen gelassen hatte. Lizzie war völlig gerührt gewesen, als sie die Briefe in der Börse entdeckte, die Kahu ihr zugesteckt hatte. Und sie hatte ihm nicht mal mehr dafür danken können!
Die Kaufmannsfrau lachte. »Da kannst du dir auch nichts für kaufen, Mädchen! Ob ehrbar oder nicht, hier braucht keiner eine Hausangestellte. Vielleicht die Schaffarmen im Inland. Aber so große und hochherrschaftliche wie in den Plains gibt’s hier auch noch nicht. Die Farmer waren früher alle Walfänger oder Seehundjäger. Wenn die ’ne Putzfrau brauchen, nehmen sie sich ein Maori-Mädchen – das bleibt dann auch gleich fürs Bett und macht darum kein Theater. Nee, Süße. Such dir ’ne andere Stadt oder ’nen anderen Job.«
Das war entmutigend, aber Lizzie zog trotzdem weiter durch den Ort. Kaikoura hatte allerdings nur einen Laden, eine Schmiede, einen Tischler, der gleichzeitig Beerdigungsunternehmer war, und drei Pubs. Vor einem davon traf sie schließlich ein anderes Mädchen, etwas jünger als sie und stark geschminkt. Auf Lizzie wirkte es wie eine Bekannte aus London.
»Arbeitest du hier?«, fragte sie. »Auf … auf der Straße oder in einem Haus?«
Das Mädchen schaute Lizzie verwundert an. Es war blond, das Haar zu einer komplizierten Frisur aufgetürmt, das Kleid zu leuchtend rot für eine ehrbare Kaufmannstochter. Lizzie dagegen wirkte in ihrem adretten dunklen Dienstbotenkleid äußerst brav. Das Barmädchen hätte von ihrer Seite her eher mit einem vorwurfsvollen Blick gerechnet als mit der freundlichen Ansprache.
»Im Pub«, antwortete sie dann. »Auf der Straße schafft hier keine an. Zu nass und zu kalt. Außerdem brauchen die Wirte immer neues Blut. Und zahlen auch halbwegs fair. Suchst du Arbeit?«
Lizzie nickte. »Schon. Aber eigentlich nicht
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