Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
verhältnismäßig klein. Klar, die Farmer haben ein paar tausend Schafe, das hört sich großartig an. Aber sie arbeiten auch von Morgengrauen bis zur Nacht! Das willst du nicht, du hast mir von deiner Arbeit bei diesen Deutschen erzählt – du eignest dich nicht zur Stallmagd, Lizzie. Und zum Bearbeiten von Feldern und Umtreiben von Schafen eignest du dich auch nicht.«
»Und wofür eigne ich mich, deiner Ansicht nach?«, fragte Lizzie wütend.
Michael dachte kurz nach. »Für das, was du gerade tust«, meinte er dann. »Du bist die Seele dieser Schänke, Lizzie! Du könntest auch ein Hotel führen oder ein Geschäft … du hast dieses Lächeln, Lizzie, das die Leute bezaubert.«
Lizzie wusste nicht, warum diese Antwort sie enttäuschte. Sietraf ja wirklich den Kern: Die Arbeit in der Schänke lag ihr, sie fühlte sich wohl in Kaikoura. Und sie konnte nicht erwarten, dass Michael ihren Traum teilte. Dass er sie als Mutter sah und als Hausfrau – mit oder ohne Dienstmädchen und Köchin.
»Lass mich jetzt erst mal nach Otago, Lizzie!« Michael wollte offensichtlich zum Ende kommen. »Wenn ich zurückkomme … wenn ich zurückkomme und wirklich reich bin, können wir immer noch sehen, was wir machen. Die Brennerei habe ich Tane übergeben. Der weiß, wie’s geht, er wird dich in Zukunft beliefern. Mach einfach weiter, Lizzie – eines Tages stehe ich vielleicht in der Tür und überschütte dich mit Gold!«
Er lachte. Dann küsste er sie vergnügt auf beide Wangen und ging zu seinem Pferd.
»Bringst du den Wagen und das Pferd dann noch in den Mietstall, bitte? Ich muss los, sonst lohnt es sich gar nicht mehr, heute noch aufzubrechen.«
Michael sah nicht zurück, als er Kaikoura verließ. Natürlich bedauerte er es ein bisschen, Lizzie jetzt nicht mehr so oft sehen zu können, ihre Ratschläge zu hören und sich an schlechten Tagen von ihrem Lächeln wärmen zu lassen. Aber vor ihm lag ein Abenteuer, bei dem er sie wirklich nicht brauchen konnte.
Als er nun nach Süden ritt, dachte er immer wieder an die junge Frau. Es war ein verführerischer Gedanke, sie mit Gold zu überschütten. Ihr Lächeln zu sehen, wenn er sie in ein Farmhaus aus Sandstein führte, in dessen Eingang sie ein knicksendes Mädchen erwartete und Sir und Madam nannte. Michael träumte davon, Lizzie ihre Wünsche zu erfüllen. Er war lange genug ihr Teilhaber gewesen, lange genug hatte sie die Geschäfte geführt. Jetzt würde er ihr beweisen, dass er ein Mann war, der sein eigenes Vermögen machen konnte. Lizzie sollte endlich mal ein bisschen zu ihm aufsehen, ihn bewundern – vielleicht würde sie ihn dann ja auch wieder lieben … und vielleicht würde sie wie Mann und Frau mit ihm leben wollen.Lizzie schaute dem Mann nach, den sie liebte, und dachte über das nach, was er über die Schaffarmen in Kaikoura und den Canterbury Plains gesagt hatte. Vermutlich brauchte man wirklich mehr Geld, wenn man eine große Station aufbauen wollte. Ob Michael das jedoch allein schaffte? Lizzie bezweifelte es. Sie würde ihm etwas Zeit geben.
Tatsächlich hielt Lizzie das Leben ohne Michael ganze sechs Monate aus, und sicher hätte sie es auch länger geschafft, wenn ihre Geschäfte nicht schlechter und schlechter gelaufen wären. Aber der Niedergang von Kaikoura war unabwendbar. Die Walfänger waren fast alle weg, die Viehhüter versuchten sich ebenfalls auf den Goldfeldern, und inzwischen verließen sogar kleinere Farmer ihr Land, um dem leicht verdienten Geld nachzujagen. Lizzies Freundin, die Fischerin mit der Garküche nebenan, verlor darüber ihren Mann und ihren Sohn. Beide waren eines Tages verschwunden – mit einem kleinen Segelboot in Richtung Otago Harbour.
»Wovon soll ich denn jetzt leben?«, klagte die Frau. »Wenn ich die Garnelen von anderen Fischern kaufen muss, steigen meine Preise – und dabei kommen doch ohnehin immer weniger Kunden.«
Lizzie hatte obendrein Probleme mit dem Ausschank. Tane belieferte sie nicht so regelmäßig mit Whiskey wie Michael. Die Maori – zumindest ihre Männer – eigneten sich wenig für selbstständige Tätigkeiten. Tane brannte nur, wenn er Lust hatte, und manchmal landeten die Erzeugnisse dann auch nicht in den Pubs, sondern im Maori-Lager. Wenn dort ein Fest anstand, lieferte Tane, und selbstverständlich musste der Stamm dafür nichts bezahlen. Nachdem Lizzie zweimal auf dem Trockenen gestanden hatte, war sie die Sache leid.
»Wie wär’s, wenn du den Pub übernimmst?«, fragte sie
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