Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
und Durchführung von Wohltätigkeitsbasaren und Sammlungen für Bedürftige. Die anderen Frauen sahen über ihre Vergangenheit hinweg – auch sie waren oft als Freudenmädchen nach Kaikoura gekommen und erst nach der Hochzeit mit irgendwelchen Kaufleuten oder Handwerkern ehrbar geworden. Natürlich wurde Lizzie mit Skepsis betrachtet, weil sie einen anderen Weg gewählt hatte, aber ihre freundliche Art und ihr herzerwärmendes Lächeln sicherten ihr die Freundschaft des Reverends und der wichtigsten Ladys der Gesellschaft. Man wusste längst, dass Lizzie den Männern nicht nachschaute, war aber geteilter Meinung, warum das so war. Die Mehrheit glaubte wohl an ein heimliches Verhältnis mit Michael, der sie unumwunden umwarb.
Wenn da nicht Mary Kathleen gewesen wäre, die immer noch durch Michaels Träume geisterte, so hätte Lizzie ihm längst nachgegeben. Aber sie fürchtete sich vor der Nacht, in der er womöglich wieder den Namen seiner Liebsten rief. Noch einmal würde sie das nicht ertragen. Sie würde daran zerbrechen.
Einige Träumer aus der Kirchengemeinde dichteten Lizzie auch eine unglückliche Liebe an, womöglich sogar zu einem Eingeborenen. Schließlich wusste man, dass sie Freunde im Maori-Lager hatte und auch die Sprache sprach. Lizzie selbst dachte noch manchmal an Kahu Heke, hatte allerdings nichts mehr von ihm gehört, obwohl es ruhig auf der Nordinsel war. Die von Kahu vorausgesagten Kriege waren bislang nicht ausgebrochen.
Lizzie hörte den Planwagen vor ihrem Lokal, noch bevor Michael mit der neuen Whiskeylieferung eintraf. Das Pferd wieherte aufgeregt. Lizzie pflegte es bei jedem Halt vor ihrer Schänke mit Brot oder Zucker zu verwöhnen, und auch jetzt trat sie sofort heraus, um es für seine lautstarke Begrüßung zu belohnen. Michael stieg vom Bock und küsste sie auf die Wange.
»Die süße Miss Lizzie!«, sagte er mit seinem verwegenen Lächeln. »Kann’s sein, dass du im Laufe der letzten Woche noch hübscher geworden bist? Oder nur wieder ein bisschen ehrbarer? Nein, das ist nicht möglich. Dieses Kleid hat einen weiteren Ausschnitt als die anderen, meine kleine Miss Owens oder Miss Portland, oder wie du auch heißen magst! Der Reverend wird es nicht billigen!«
Lizzie wehrte Michael lachend ab. Sie trug ein hübsches hellblaues Leinenkleid, dessen Ausschnitt und Schürze mit Spitze abgesetzt waren. Es war tatsächlich neu, und es schmeichelte ihr, dass Michael es bemerkte.
»Die Tiefe des Ausschnitts folgt nur der Mode in London!«, beschied sie ihn. »Die wird wohl gerade ein bisschen frivoler – und das weiß ich ausgerechnet von der Frau des Reverends. Die kriegt nämlich manchmal Modemagazine aus England. Ihr Gatte hat das bisher nicht beanstandet.«
»Der sieht eben auch gern einen hübschen Ausschnitt!«, meinte Michael und warf einen etwas zu frechen Blick auf Lizzies Brustansatz. Die Korsage des neuen Kleides hob ihre Brüste ein bisschen und ließ sie größer wirken. Bei aller Ehrbarkeit gefiel sich Lizzie, wenn sie in den Spiegel sah.
»Aber jetzt ernsthaft, Lizzie, wir müssen miteinander reden.«
Michael wuchtete eine Kiste Flaschen vom Wagen, außerdem ein Fässchen, das er sich lässig auf die Schultern lud. Er hatte sich die Kraft und die Muskeln bewahrt, die Lizzie in Australien so an seinem Körper fasziniert hatten. Das Whiskeybrennen war zwar keine sehr schwere Arbeit, aber das Holz dafür musste geschlagen werden, und ein paar Wochen im Jahr zog Michael auch immer noch mit seiner alten Schererkolonne über die Farmen der Umgebung. Inzwischen gab es zwar professionellere und schneller arbeitende Kolonnen, aber die Farmen rund um Kaikoura waren nicht so groß, dass es sich lohnte, sie aus Canterbury kommen zu lassen.
Michael brachte die Flaschen in den Hof und stellte das kleine Fass auf die Theke des Irish Coffee.
»Der gute Whiskey?«, fragte Lizzie verblüfft. »Ich denke, der sollte zehn Jahre reifen.« Bislang hatte Michael seinen allerersten Brand in dem Fass von Robert Fyfe nicht angerührt.
»Der reift jetzt drei Jahre, das ist genug. Und ich hab auch genug vom Whiskeybrennen, Lizzie. Dies war die vorerst letzte Lieferung. Ich geh nach Otago, das ist mein fester Entschluss, und wenn ich zurückkomme, trinken wir irischen Whiskey direkt aus der alten Heimat.«
Lizzie hatte schon so etwas geahnt, als sie Michaels Pferd hinten am Wagen gesehen hatte. Der Grauschimmel trug gefüllte Satteltaschen. Sogar an zusammenklappbare Schaufeln und eine
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