Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
seiner Sprache an. »Und du bist geworden, was ich mir erhofft hatte. Auch wenn du es nicht werden wolltest.«
Lizzie zuckte die Schultern. Sie war nervös, sie mochte nicht neben ihm sitzen. Die anderen Mädchen sahen sie bereits forschend an. Kahu sollte sich um Haikina oder eine der Häuptlingstöchter bemühen, nicht um sie.
»Hainga sieht darin das Wirken der Geister«, beschied sie ihn.
Kahu lachte. »Und die pakeha sagen: Der Mensch denkt, und Gott lenkt.«
Lizzie lächelte. Sie hatte vergessen, wie scharfzüngig er sein konnte – und wie unwiderstehlich pakeha ! In den letzten Wochen hatte sie diese Art von Wortgefechten vermisst. Die Maori als Volk erschienen ihr wenig schlagfertig, ihr Humor war derber und gradliniger als der der Weißen. Allerdings mochte das auch daran liegen, dass sie die Sprache noch immer nicht perfekt beherrschte. Vielleicht entgingen ihr Zwischentöne.
»Seit wann wiederholt Kahu Heke die Worte der pakeha ?«, neckte sie den designierten Häuptling. »Wolltest du sie nicht immer hinauswerfen aus Aotearoa?«
Kahu zuckte die Schultern. »Es sind nur zu viele«, meinte er dann. »Und mein Volk sieht die Gefahr nicht, die von ihnen ausgeht. Aber nun erzähl mir von dir und den Göttern. Man sagte mir, du habest einen Verlobten?«
Lizzie nickte, aber ihre Augen waren traurig. »Das hoffe ich«, meinte sie dann. »Aber er ist fort.« Warum sollte sie ein Geheimnis daraus machen? Kahu würde sowieso alles über ihre Beziehung zu Michael erfahren, was die Ngai Tahu wussten. »Eigentlich wollte er ein Haus für uns kaufen, aber jetzt …«
»Wird Kupe zurückkommen?«, fragte Kahu mit spöttischem Lächeln.
Das war die Maori-Entsprechung für »Womöglich hast du ihn zum letzten Mal gesehen«. Die Wendung bezog sich auf Kupe, den ersten Siedler Neuseelands. Er hatte seinen Freunden auf Hawaiki versprochen, zurückzukommen – das aber niemals getan.
Lizzie begann zu grübeln. Sie hatte gerade angefangen, sich in Kahus Gesellschaft wohler zu fühlen. Die anderen Stammesmitglieder musizierten und tanzten wieder und schenkten Lizzie und dem künftigen Häuptling, zumindest vorgeblich, weniger Aufmerksamkeit.
»Was soll das?«, fragte sie misstrauisch. »Ständig redest du von diesem Kupe und seiner Kura-maro-tini, wenn es um mich geht!« Anscheinend kannte sie das Sprichwort nicht, obwohl ihr Maori viel besser geworden war.
Kahu lachte. »Weil ich jedes Mal, wenn wir uns sehen, Lust verspüre, dich zu rauben!«, neckte er sie.
Der Legende nach hatte Kura-maro-tini einem anderen gehört, und Kupe hatte ihren Mann getötet und sie entführt. Auf der Flucht entdeckten sie dann Neuseeland – Aotearoa.
»Na, so oft sehen wir uns ja nicht«, bemerkte Lizzie und nahm einen Schluck aus der Flasche, die Kahu ihr reichte.
Er hatte zwei Flaschen mitgebracht, die angeblich Whiskey enthielten, und die Ngai Tahu ließen sie kreisen. Bislang hatte Lizzie sie vorbeigehen lassen – Whiskey erinnerte sie stets an Michael, ihren Pub in Kaikoura und ihren Sommer auf den Goldfeldern. Nun aber lockerte sie der Alkohol. Dieser Whiskey schmeckte anders als Michaels Erzeugnisse. Die Geister mochten wissen, woraus er gebrannt war.
»Erzähl mir, wie es dir ergangen ist, Kahu Heke. Bist du inzwischen Häuptling? Und hast du eine Frau – oder mehrere? Und Kinder?«
Kahu schüttelte den Kopf. »Ich habe bei den pakeha gearbeitet. Zunächst sogar bei deinem Mr. Busby.«
Lizzies Augen leuchteten erwartungsgemäß auf, als Kahu über Weinbau sprach. Eine verzauberte Stunde lang hatte er ihre gespannte Aufmerksamkeit – und stellte fest, dass sie sich zum Anbau der Reben ähnliche Gedanken gemacht hatte wie er beim Studium der Bücher in der Universität in Auckland.
»Ich hab mal versucht anzusprechen, ob andere Weinsorten vielleicht besser in diesem Boden gedeihen würden. Aber Mr. Busby war starrköpfig, er sagte, Riesling wachse in Europa unter ganz ähnlichen Bedingungen, und so hätte er das in Neuseeland gefälligst auch zu tun. Aber er meinte natürlich nur das Wetter. Alles andere … Hainga würde sagen, Mr. Busby hört nicht auf das Flüstern der Geister.«
Kahu lächelte – und Lizzie fiel auf, dass seine Tätowierungen sie plötzlich nicht mehr störten. In den letzten Monaten hatte sie sich so daran gewöhnt, dass ihr die Stammeszeichen in den Gesichtern der älteren Maori gar nicht mehr auffielen.
»Ich mag mehr pakeha geworden sein in diesen Jahren«, bemerkte Kahu Heke. »Aber du bist
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