Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
ihn.
»Goldgräber …«, hörte Kathleen hinter ihrem Rücken, und »Glücksritter«.
Ja, selbst Claire und ihr Jimmy schienen Michael nicht gern um sich zu haben. Michael sprach immer noch mit deutlichem irischem Akzent – was Kathleen sich längst abgewöhnt hatte. Er wusste nicht, welche Gabel bei einem großen Dinner für welche Speise bestimmt war, und er zeigte auch kein besonderes Interesse daran, es zu lernen. Natürlich konnte er keinen Walzer tanzen und verstand sich nicht auf Kommunikation über die weltpolitische Lage. Nicht einmal wenn ein freundlicher Bankier oder Geschäftsmann ihn auf die Fenier und die Irische Frage ansprach, wusste er etwas Kluges zu erwidern. Michael hatte in den letzten Jahren genug mit dem Überleben zu tun gehabt. Er hatte nicht auch noch Zeitung lesen oder gar Bücher studieren können.
»Aber er könnte es jetzt!«, gab Claire zu bedenken, als Kathleen ihren Geliebten mal wieder verteidigte. »Er hat doch den ganzen Tag nichts zu tun, außer dich anzuschwärmen. Aber er interessiert sich nicht dafür. Nicht für Irland, nicht für Dunedin – ich hoffe, er versteht sich wenigstens auf Landwirtschaft, sonst wirst du am Ende doch noch verhungern. Und was die Sache mit dem Schafbaron angeht, Kathleen: Schaf reicht da nicht! Die Betonung liegt auf Baron, und der muss ein paar Umgangsformen beherrschen.«
Claire wusste, wovon sie sprach. Jimmy und sie waren gern gesehene Gäste auf den Bällen der Viehzüchtervereinigung. Und wie auch immer die reichen Schafzüchter ihr ursprüngliches Vermögen gemacht hatten – ganz sicher waren etliche Walfänger, Goldgräber, Seehundjäger und professionelle Spieler unter ihnen –, jetzt bemühten sie sich erfolgreich um Haltung.
»Das wird schon alles«, beschwichtigte Kathleen. »Michael muss … er wird da hineinwachsen. Er ist klug. Wenn er sich ein bisschen bemüht …«
»Eben daran scheint es zu hapern«, grummelte Claire. »Wenn ich mir angucke, wie er durchs Leben taumelt, dann frage ich mich, wie er es bisher überhaupt so weit gebracht hat!«
Kathleen und Michael fuhren schließlich allein nach Queenstown, auch Heather blieb lieber bei Claire und ging zur Schule. Das Mädchen hatte inzwischen über einen Umzug nachgedacht und war genauso vehement dagegen wie Sean. Natürlich hatte sie weniger vernünftige Gründe. Über die Universität zum Beispiel dachte sie vorerst nicht nach, obwohl Claire die Mädchen ermutigte. Es hieß, Dunedin gedenke, Frauen von Anfang an in allen Studiengängen zuzulassen! Heather ging es aber vor allem um Chloé, von der sie sich unter keinen Umständen trennen wollte. Die Mädchen steckten seit ihrer Geburt ständig zusammen, seit der Flucht ihrer Mütter schliefen sie in einem Zimmer, verkrochen sich bei Albträumen gemeinsam in einem Bett und tauschten jeden Gedanken und jede Schwärmerei. Claire witzelte, dass man die beiden wohl nur würde verheiraten können, wenn sich Zwillingssöhne fänden. Auf jeden Fall wollte Heather nicht allein nach Queenstown. Da zog nicht mal Michaels Versprechen, ihr umgehend ein eigenes Pferd zu kaufen, sobald sie auf die Farm übersiedelten.
Kathleen wusste nicht, wie all das werden sollte, aber vorerst freute sie sich auf die Reise mit Michael. Sie lieh sich Seans Pferd dafür aus, was dieser ungern hinnahm. Michael hatte zwar vorgeschlagen, sich für die Reise einen Wagen zu leihen, aber das Angebot erfolgte eher halbherzig. Lizzies Buggy zumindest schien nicht mehr zur Verfügung zu stehen, wie Michael Lizzie überhaupt nicht mehr erwähnte. Kathleen war das recht, nur Claire machte sie immer wieder ärgerlich, indem sie bohrende Fragen nach demVerbleib von Miss Portland stellte. In Kathleens Augen benahm Claire sich ohnehin ziemlich merkwürdig, Kathleen spürte, dass ihre Freundschaft Risse bekam. Auch in dieser Beziehung war es gut, mal ein paar Tage aus dem Geschäft und der gemeinsamen Wohnung herauszukommen. Aber gleich für immer? Kathleen mochte noch nicht daran denken. Das neue Leben mit Michael hatte sie kreativ beflügelt. Ihre Entwürfe für die Herbstkollektion waren gewagt und farbenfroh, üppig und figurbetont. Claire und die Näherinnen waren schlichtweg hingerissen, die ersten Kundinnen bestellten schon, als Claire nur die flüchtig hingeworfenen Kohlezeichnungen wie zufällig im Laden herumliegen ließ. Kathleen konnte sich nicht wirklich vorstellen, wieder Kühe zu melken statt zu zeichnen, aber das würde sich alles ergeben. Vielleicht
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