Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
wärmen.
Lizzie reckte sich. Überhaupt, kein schlechter Tag! Es regnetenicht, die Eimer, die sie unter das tropfende Dach gestellt hatten, waren leer. Und am Abend war auch noch ein Stück Brot da gewesen. Sie konnte sich damit stärken und dann zum Hafen hinunterschlendern.
Nachts mochten Schiffe angelegt haben – voller Matrosen, ausgehungert nach weiblichen Körpern. Hannah, die gern lange schlief, glaubte es ihr nicht, aber Lizzie fand morgens oft die besten Freier, und meistens brauchte sie die Kerle nicht mal mit heimzunehmen. Vor Tau und Tag vermieteten die Stundenhotels ihre Zimmer billig.
Lizzie suchte nach dem Brot, wurde aber nicht fündig. Je länger und fahriger sie im Schrank danach tastete, desto mehr erhärtete sich ihr Verdacht. Dieser verfluchte Lucius! Da fraß er seiner Freundin und ihren halb verhungerten Bälgern noch das letzte Stück Brot weg!
Lizzies erster Impuls war, Hannah zu wecken und ihr harsche Vorwürfe zu machen, aber sie konnte sich gut vorstellen, wie die Freundin darauf reagieren würde: »Soll er mit leerem Magen zur Arbeit gehen? Wenn er schon mitten in der Nacht aufsteht, um Geld zu verdienen …«
Mit Hannah war zurzeit nicht zu reden. In ihrer Liebe zu Lucius war sie wie von Sinnen. Dabei bezweifelte Lizzie, dass der Kerl am Abend auch nur einen Penny nach Hause bringen würde. Bestenfalls teilte er die letzte Flasche Gin mit Hannah und Lizzie. An die Kinder dachte er nie.
Lizzie jedenfalls musste ihre Pläne ändern. Sie war routiniert im Aufreißen von Männern, aber um das Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern, das sie in den Augen der Kerle schön erscheinen ließ, brauchte sie ein bisschen Kraft. Dazu mochten die Freier es nicht, wenn ihr Magen knurrte, während sie sich auf ihr abmühten. Lizzie musste etwas essen. Wenigstens einen kleinen Bissen Brot …
Seufzend suchte sie nach ihrem Kleid und ihrem Hütchen und dankte dem Himmel, dass Lucius zumindest das Waschwasser hatte stehen lassen, das sie am Tag zuvor herangeschleppt hatte.Vom Waschen hielt er nichts. Lizzie spritzte sich also bibbernd das kalte Nass ins Gesicht, rubbelte sich trocken und bürstete ihr Haar.
Sie versuchte stets, adrett auszusehen, wenn sie aus der Hütte ging, und verzichtete zumindest tagsüber auf die grelle Schminke ihrer Zunft. Auch das schadete ihr nicht, so mancher Freier mochte es, ein scheinbar ehrbares Mädchen abzuschleppen, das obendrein so jung aussah, wie es war. Lizzie kontrollierte ihr Aussehen in der Spiegelscherbe, die der kleine Toby irgendwo im Müll gefunden und ihr geschenkt hatte.
Toby war gerade erst fünf Jahre alt, aber er wusste schon ganz gut, was wertvoll war. Wenn man ihn in die Mülltonnen der Reichen kriechen ließ, fand er Glas und Altmetall, das man verkaufen konnte, und trug damit mehr zum Lebensunterhalt der Familie bei als Lucius. Hannah wusste das und setzte das Kind dazu oft einfach auf der Straße aus – wieder etwas, wofür Lizzie ihr Vorwürfe machte. Der Junge war noch zu klein, um sich anderen Straßenkindern gegenüber durchzusetzen. Und schlimmer noch, er konnte gestohlen werden! Es gab Banden in London, die Kleinkinder zu Taschendieben und Bettlern abrichteten. Lizzie graute davor.
Sie schob das niedliche Hütchen zurecht, das sie im letzten Jahr auf dem Altkleidermarkt gekauft hatte. Eigentlich hätte sie es sich nicht leisten können, aber die Marktfrau war ihrem Lächeln verfallen und hatte es ihr zu einem Spottpreis abgegeben. Lizzie probierte ihr Lächeln vor der Spiegelscherbe. Aber ohne ein Gegenüber und ohne ein Frühstück ging es nicht …
Das Mädchen seufzte und wünschte sich wieder mal, schön zu sein. So schön wie Hannah, bevor sie erst zwei Kinder geboren und sich dann dem Gin und Kerlen wie Lucius hingegeben hatte. Hannah war kurvenreich, hellhäutig und mit einer Fülle roten Haares gesegnet, ihre Augen leuchteten blau, ihre Lider waren schwer – eine Frau, der Männer kaum widerstehen konnten.
Lizzie dagegen war zierlich, ihr Körper knabenhaft schlank. Sie hatte kleine Brüste und bezweifelte, dass diese noch wuchsen. Ihr Gesicht war dafür rund – obwohl ihre Wangen eingefallen undmeist bleich waren. Lizzies Nase passte von den Proportionen eigentlich ganz gut dazu, zumindest, wenn man sie von vorn ansah. Von der Seite schien sie etwas zu lang zu sein, vorwitzig, aber nicht neckisch. Das Haar der Siebzehnjährigen war leicht kraus, aber von langweiligem Dunkelblond, die Wimpern und Brauen so hell und spärlich,
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