Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
neue Land in Augenschein zu nehmen. Einen besonders verheißungsvollen Eindruck machte es nicht, im Gegenteil, die Südinsel Neuseelands lag hinter einem Regenschleier verborgen. Dahinter zeichnete sich eine felsige Küste ab, schemenhaft sah man weit entfernt Berge, die schneebedeckt wirkten. Und das soll ein Land sein, das Irland ähnelt?, dachte Kathleen. Mit Schafen auf grünen Wiesen? Sie war enttäuscht, hatte jetzt aber andere Sorgen. Es mochte noch Stunden dauern, bis sie wirklich anlegten. Was, wenn das Kind nicht so lange wartete? Egal, wie das Land aussah – sie wollte nicht auf dem Schiff entbinden!
Tatsächlich ließ sich das Kind allerdings Zeit. Elinor Browning und ein paar andere Frauen nahmen sich Kathleens an, bis der Hafen erreicht war – und ließen sie dann prompt allein, um die Ankunft zu feiern. Während die ersten Neusiedler trunken vor Aufregung und Freude, die Reise überlebt zu haben, an Land taumelten und die Erde der neuen Heimat küssten, starb Kathleen tausend Tode vor Angst und Schmerzen. Was, wenn die Frauen nicht wiederkamen? Wenn sie hier vergessen wurde? Natürlich sagte Kathleen sich, dass Ian schon auf sie Acht geben würde, aber sie hatte ihren Mann seit der Sichtung der Küste am Morgen nicht gesehen. In ihren schlimmsten Albträumen verhandelte er schon über seinen ersten Pferdekauf in Port Cooper, während sie noch auf dem Schiff in den Wehen lag. Schließlich war es nicht sein Kind, das sie zur Welt brachte. Sicher war es ihm egal, was mit dem Baby geschah.
Letztlich erschien Ian aber doch, auch wenn es ihm sichtlich unangenehm war, seine Frau verschwitzt und zitternd in ihrer Koje zu sehen. Er schien ungehalten, anscheinend erwartete er, dass sie ihr Kind so rasch und undramatisch zur Welt brachte wie eine Stute ihr Fohlen.
»Steh auf, Kathleen, wir müssen raus. Und du brauchst jemanden, der sich um dich kümmert. Ich hab schon mit den Leuten im Ort gesprochen. Wir bringen dich ins Haus des Schmiedes …«
»Des was?«, fragte Kathleen entsetzt. »Des … des Hufschmiedes? Du meinst doch nicht, dass der hier die Kinder holt …«
Diese erste Bekanntschaft sah Ian allerdings ähnlich – wahrscheinlich wusste er auch schon, wo der Sattler wohnte … Kathleen hätte beinahe hysterisch gelacht, aber das Lachen blieb ihr im Halse stecken, als sie Ians unfreundliches Gesicht sah.
»Natürlich nicht, aber seine Frau ist wohl Hebamme. Jetzt komm! Und zieh dir was an, ich kann dich nicht im Nachthemd an Land schleppen! Wie sieht denn das aus? Wir wollen hier ein Geschäft eröffnen, Kathleen. Also tritt ordentlich auf und benimm dich wie eine Lady.«
Kathleens Belustigung wich hilflosem Zorn. Sie krümmte sich alle paar Minuten unter einer Wehe zusammen – wie sollte sie es da schaffen, sich in ein Kleid zu zwängen und ihr Haar aufzustecken? Aber Ians Miene erlaubte keine Diskussionen. Mühsam, unterbrochen von Krämpfen und verzweifeltem Schluchzen, kämpftesie sich aus der Koje, zog ihr weitestes Kleid über und versuchte, ihr Haar unter einer Haube zu verstecken. Schließlich ging sie an Ians Arm von Bord.
Von ihrer neuen Heimat nahm Kathleen kaum etwas wahr. Ein Landungssteg, ein primitiver, birnenförmiger Hafen – wohl ein Naturhafen, viel gebaut hatte man hier noch nicht. Darüber Hügel, eine Ansiedlung. Kathleen brach der Schweiß aus, als sie sich die Steigung hinaufkämpfte. Zwischendurch musste sie immer wieder stehen bleiben. Hätte Ian sie nicht gehalten, wäre sie gefallen und hätte das Kind womöglich auf der Straße zur Welt gebracht.
Du wirst unser Kind in Würde aufziehen …, Kathleen meinte, Michaels Stimme zu hören. Sie biss die Zähne zusammen. Zum Glück war die Schmiede nicht weit – wie überhaupt nichts in Port Cooper weit von der Bucht entfernt lag, in der die Schiffe anlegten. Die Siedlung war winzig. Aber immerhin war jedes der Holzhäuser weitaus größer und stattlicher als die Cottages der Pächter in Irland.
Kathleen schöpfte Hoffnung, als Ian an die Tür eines blau gestrichenen schmucken Häuschens klopfte. Auf der Koppel dahinter stand ein Maultier, aus dem Verschlag nebenan waren die Geräusche eines Schmiedehammers zu hören. Kathleen ließ sich gegen die Tür sinken. Zumindest würde sie aus dem Regen herauskommen … Sie musste lächeln, als sie daran dachte, dass die Ähnlichkeit zwischen Neuseeland und Irland vielleicht nur im anhaltend schlechten Wetter bestand, aber dann, als die Tür geöffnet wurde, erstarrte sie.
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