Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
Erinnerung. Kathleens Leben war eine einzige Plackerei zwischen Garten, Feldern und Ställen, hinzu kam die Sorge um die Kinder, die ständig beaufsichtigt werden mussten. Besonders Colin war kaum von den Ställen fernzuhalten, sobald er laufen konnte, immer unternahm er etwas. Sean interessierte sich weniger für die Tiere. Er mochte lediglich den Hofhund, mit dem er einträchtig Seite an Seite auf der Holzterrasse der Farm saß und auf den Fluss starrte. Manchmal flüsterte er ihm etwas ins Ohr, und Kathleen fragte sich, ob das Kind dem Hund Märchen erzählte. Konnte Sean sich wirklich an Peres Geschichten rund um Kanus und Halbgötter der Maori erinnern? Wenn Kathleen Geschichten aus Irland, von Feen und Leprechauns spann, konnte der Junge sich gar nicht daran satthören. Kathleen war rechtschaffen müde, wenn er am Abend endlich schlief.
Außer den Kindern und gelegentlichen Beschwerdeführern aus Christchurch beschränkten sich Kathleens gesellschaftliche Kontakte demnach auf Ians Kunden, aber denen hatte sie sich möglichst nur mit gesenktem Kopf und schweigend zu präsentieren. Sie tat das bereitwillig, nachdem ihr zweimal ein paar unpassende Wahrheiten zu Verkaufstieren herausgerutscht waren. Ihr Mann hatte sie daraufhin so verprügelt, dass sie befürchten musste, das Kind zu verlieren. Dennoch freute sich Kathleen über jeden dieser seltenen Besuche. Schließlich trank Ian mit den Kunden meist noch ein oder zwei Glas Whiskey auf den erfolgreichen Abschluss und plauderte mit ihnen – die einzige Möglichkeit für Kathleen, ein paar Neuigkeiten aus der Welt ringsum zu erfahren.
Der Strom von Siedlern nach Christchurch riss kaum ab. Nachdem die ersten vier Schiffe eingetroffen waren, interessierten sich immer mehr Menschen in der Alten Welt für das neue Land auf der anderen Seite der Erdkugel. Ians Kunden betonten stets, dass Neuseeland im Gegensatz zu Australien und Van-Diemens-Land nicht von Sträflingen besiedelt wurde, sondern von ordentlichen Christenmenschen. Darauf waren sie stolz, und Ian trank mit ihnen darauf, obwohl die Coltranes natürlich katholisch waren und einem englischen Protestanten deutlich weniger Achtung entgegenbrachten als einem irischen Sträfling.
Ian erlaubte Kathleen auch nicht, zum Sonntagsgottesdienst in die anglikanische Kirche nach Christchurch zu fahren. Sie hätte das gern getan – Gott hätte über die falsche Konfession ihrer Umgebung sicher hinweggesehen und ihre Gebete trotzdem gehört. Aber hier ließ sich Ian nicht erweichen – worin Kathleen im Stillen weniger Glaubensfestigkeit vermutete als die Freude an der guten Ausrede. Ian war schließlich auch in Irland kein regelmäßiger Kirchgänger gewesen.
Gelegentlich berichteten Ians Kunden auch von Port Cooper oder Port Victoria – was Kathleen natürlich besonders interessierte. Noch immer trauerte sie Pere und ihren anderen Freundinnen aus der kleinen Hafenstadt nach, die gerade wieder einen neuen Namen erhielt. Der Ort hieß jetzt Lyttelton, nach einem wichtigen Mann aus der Canterbury Association, und die winzige Ansiedlung mauserte sich langsam zur Stadt. Der Durchgangsverkehr nach Christchurch brachte Geld in den Ort. John, der Schmied, hatte einen Transportservice für die Neusiedler eingerichtet. Gegen ein gewisses Entgelt konnte man sich auf Maultieren über den Bridle Path führen lassen, was besonders wohlhabendere Einwanderer gern nutzten. John kaufte die Tiere allerdings nicht bei Ian, was diesen erbitterte. Er brachte es tatsächlich über sich, Johns Konkurrenten, der von Christchurch aus arbeitete, nicht zu betrügen, sondern ihm Lasttiere zu vermitteln, die gesund und leistungsfähig waren. Dennoch konnte sich der Mann nicht durchsetzen. John saß in Lyttelton einfach am besseren Ort, er war gleich zur Stelle, wenn Schiffe eintrafen.
In Lyttelton gab es jetzt einen Pub und ein Hotel, und neuerdings hatten sich sowohl ein Geistlicher als auch ein Arzt angesiedelt.
Die Nachricht von Letzterem erfüllte Kathleen fast mit Neid. Ihre Entbindung stand in einigen Wochen bevor, und diesmal war weder auf die Hilfe von Pere noch die einer anderen Hebamme zu hoffen – gar nicht zu reden von einem Arzt! Theoretisch konnte Ian natürlich jemanden aus Christchurch holen, aber die Coltranes kannten dort kaum jemanden, und Ian machte auch keine Anstalten, Kontakte zu knüpfen. Zudem war es keineswegs sicher, dass Ian überhaupt zu Hause sein würde, wenn Kathleen niederkam. Natürlich versprach er, in der
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