Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
romantisch, als er mich gefragt hat! Und wie er alles geschildert hat. Den Fluss hier … Avon – findest du nicht, dass der Name ein Zeichen ist? Ich bin Julia, Matt ist Romeo … Aber meine Eltern hätten das nie eingesehen. Also hab ich’s einfach so gemacht!«
Claire erhob sich und stellte sich in Positur. »Oh, Romeo! Verleugne deinen Vater, deinen Namen! Und willst du’s nicht, nimm mich zu deiner Liebsten, und ich bin länger keine Capulet!«
Sie strahlte.
Kathleen runzelte die Stirn. War ihre neue Freundin verrückt?
Claire schaute genau so verblüfft. »Kennst du das nicht?«, fragte sie ungläubig. »Shakespeare. Romeo und Julia. Eine ganz berühmte Geschichte … Seid ihr überhaupt nicht romantisch da in Irland?«
Kathleen verriet ihr an diesem ersten Tag noch nicht, in welchen Fallstricken der Romantik sie sich mit Michael in den Feldern amFluss verfangen hatte – auch ganz ohne Beeinflussung durch den Barden von Stratford upon Avon. Dafür erfuhr sie jede Einzelheit von Claires Flucht aus ihrem Elternhaus, ihre überstürzte Hochzeit in London und dann die Reise nach Neuseeland.
»Ich hab’s meinen Eltern noch geschrieben, aber die wollten mich nicht mehr sehen. Ich vermiss sie auch nicht besonders. Nur … nur mein Pferd vermisse ich ziemlich, obwohl ich jetzt Spottey habe. Und Matt hab ich natürlich auch. Er ist wunderbar, wirklich. Nur … also am Anfang war es ja aufregend hier in dem neuen Land, auf der Farm … Aber jetzt – ich bin ganz allein, Kathleen!« Claire schwankte zwischen Euphorie und Enttäuschung. »Matt hat sich ein Boot gekauft, und das ist ja auch richtig, es ist schön, dass er arbeitet … das ist romantisch. Er fischt im Fluss, und er setzt Leute über, die von Port Victoria nach Christchurch wollen. Wir könnten richtig reich werden, meint Matt, wenn ich bloß besser wirtschaften würde. Er ist … also er liebt mich bestimmt sehr, aber er … ich glaube, er ist nicht so zufrieden mit mir …« Claire hörte sich an wie ein Kind, dem man eine schlechte Schulnote erteilt hatte. »Dabei strenge ich mich schon an. Aber ich weiß nicht, wie ich das alles machen soll! Hast du vorher schon mal eine Kuh gemolken? Also bevor du herkamst?«
Claires Ausbruch verlangte nicht wirklich eine Antwort, was sicher auch besser war. Ein Bericht über Kathleens Erfahrungen in der Haltung von Rindern und Schafen hätte die junge Frau wahrscheinlich vor Ehrfurcht verstummen lassen. So aber erzählte sie weiter, und die verwunderte Kathleen erfuhr, dass man ihre neue Freundin mit praktischen Dingen nie sonderlich behelligt hatte. Ihre Eltern hatten ein großes Haus geführt. Es gab Dienstboten, die Claire und ihrer jüngeren Schwester jeden Handschlag abnahmen. Ihre Mutter war ziemlich weltfremd gewesen und hatte ihnen nicht einmal ein Mindestmaß an Haushaltsführung vermittelt. Stattdessen durften die Mädchen sich weitgehend mit dem beschäftigen, was ihnen gefiel – solange es halbwegs im Rahmen einer vornehmen Erziehung lag. Claire gefiel es zu reiten. Außerdem las undlernte sie gern. Das Mädchen konnte Französisch, Latein und Italienisch. Es spielte sehr gut Klavier und ein bisschen Geige. Und es hatte Bücher über Astronomie gelesen und sich immer gewünscht, eines Tages einen neuen Stern zu entdecken.
»Das war auch so wunderschön mit Matt!«, begeisterte sich Claire. »Wir haben zusammen in den Himmel geguckt, und er hat mir die Sterne erklärt. Und vom Süden erzählt … vom Kreuz des Südens …« Sie lächelte versonnen, als sie sich daran erinnerte, wurde dann aber wieder traurig. »Sterne entdecke ich jetzt ja jeden Tag«, meinte sie nüchtern. »Wenn auch nicht mit Matt. Der hat … der hat keine Zeit. Dabei weiß er bestimmt ihre Namen. Ich könnte sie ja auch nachlesen, aber ich finde kein Buch, in dem sie geschrieben stehen. Ich finde gar keine Bücher mehr, Kathleen! Sonst könnte ich auch eins über Geburtshilfe lesen. Woher … woher weißt du das denn alles mit den Babys? Hat man es dir erzählt, bevor du verheiratet wurdest?
Kathleen seufzte. »Ich wusste es wohl zu früh …«, bemerkte sie dann. »Wann ist es überhaupt so weit?«
»Hat noch Zeit«, behauptete Claire und ließ offen, ob sie wusste, wie lange eine Schwangerschaft gewöhnlich dauerte. »Aber dein Kleines kommt bald, nicht? Hast du jemanden, der dir helfen wird?«
Kathleen schüttelte den Kopf, und Claire schien zu erahnen, dass sich die erfahrenere Freundin nicht viel weniger vor der
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