Das Gold des Bischofs
giftigen Wirkungen wusste, konnte erkennen, dass Alice sich mit genug Nieswurz versorgt hatte, um eine wahre Rattenplage abzuwenden. Die Lehrlinge sahen das ebenfalls, und es gab einen gemeinschaftlichen Ausruf des Schreckens. Die Frau, die jetzt bestürzt auf das verstreute Pulver starrte, war wohl doch nicht so unschuldig, wie alle annahmen.
In dem Gefühl, einen kleinen Sieg errungen zu haben, wollte Geoffrey schon fragen, wozu sie jetzt noch Gift brauchte, wo ihr Ehemann doch bereits tot war â da machte Alice Anstalten, ohnmächtig zu werden. Der Lehrling tat einen halbherzigen Satz auf sie zu, griff aber ins Leere. Sie wankte eine Weile, anscheinend, um ihm eine zweite Gelegenheit zu geben, stellte aber fest, dass er entweder zu begriffsstutzig oder zu verwirrt war, um zu handeln. Dann sank sie anmutig und behutsam in einen sauberen Haufen Schnee.
Die Lehrlinge starrten verwirrt auf die reglose Gestalt, und Geoffrey erkannte, dass Alice aus dieser Richtung keine Hilfe zu erwarten hatte. Sie würde wahrscheinlich erfrieren, bis die anderen auf die Idee kamen, ihr aufzuhelfen. Er nahm sie auf die Arme und suchte einen Ort, wohin er sie bringen könnte. Mit einem boshaften Grinsen stellte er fest, dass auch der Apotheker seinen warmen Laden verlassen hatte, um zu sehen, was da los war.
Geoffrey trat auf ihn zu und fragte, ob er Alice wohl in sein Geschäft bringen dürfe, bis sie sich wieder besser fühlte. Nicht im Mindesten überrascht, nahm er auf ihrem hübschen Gesicht ein verärgertes Stirnrunzeln wahr und bemerkte, wie sie aufgebracht die Fäuste ballte. Er trug sie über die Schwelle und setzte sie auf einem Stuhl beim Kamin ab, während der Apotheker nach einem sauberen Becher für Wein suchte. Mehrere Lehrlinge schlossen sich ihnen an und standen in einem unsicheren Halbkreis um sie herum, damit sie nichts Aufregendes versäumten. Alice verblieb, wo Geoffrey sie abgesetzt hatte, mit geschlossenen Augen und zur Seite geneigtem Kopf, auch wenn ein zuckender Muskel in ihrer Wange verriet, dass sie nicht besinnungslos war.
»Witwe Jarveaux hat ihren Nieswurz fallen lassen«, erklärte Geoffrey. »Vermutlich braucht sie neuen.«
»Dann werde ich welchen vorbereiten«, kündigte der Apotheker groÃzügig an. »Sie hat seit kurzem furchtbare Schwierigkeiten mit Ratten. Letzte Woche hat sie fünfzig Einheiten bestellt, und noch immer ist die Plage nicht behoben. Das muss an der Kälte liegen. Für gewöhnlich sind Ratten nicht so immun gegen meinen grünen Nieswurz.«
»Nicht alle Ratten, da bin ich mir sicher«, stellte Geoffrey trocken fest. »Vor allem nicht die sehr groÃen.«
Wie aufs Stichwort regte sich Alice, hob eine Hand an den Kopf und schlug tränennasse Augen auf. »Wo bin ich?«
»Die Ãrmste«, sagte der Apotheker, kniete sich neben sie und bot ihr Wein an. »Hier seid Ihr willkommen. Bleibt, solange Ihr wollt, danach wird Euch sicher jemand nach Hause begleiten.«
»Was ist passiert?«, fragte sie mit schwacher Stimme. »Ich erinnere mich an überhaupt nichts.«
»Tatsächlich?«, fragte Geoffrey, belustigt von ihrer Darbietung. Er wandte sich an den Apotheker. »Was sind die Symptome einer Vergiftung durch grünen Nieswurz?«
»Bei Ratten sind die Symptome â¦Â«
»Bei Menschen«, unterbrach ihn Geoffrey. »Was würde geschehen, wenn ein Mensch ihn einnimmt?«
»Aber ein Mensch würde ihn nicht einnehmen«, sagte der Apotheker. »Er ist giftig!«
»Und wenn man ihn isst, ohne davon zu wissen?«, fragte Geoffrey beharrlich weiter. »Wenn das Gift im Essen war?«
»Ich glaube, ich werde wieder ohnmächtig«, hauchte Alice und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. »Ich fühle mich so benommen.«
»Darauf möchte ich wetten«, murmelte Geoffrey.
»Vielleicht hat sie was von dem Gift eingeatmet, als das Päckchen aufplatzte«, mutmaÃte einer der Lehrlinge. »Es ist überall hingestäubt.«
»Ja«, flüsterte ein anderer, während er Geoffrey voll Abscheu anblickte. »Das wäre nicht passiert, wenn dieser Normanne sie nicht aus der Fassung gebracht hätte.«
»Benommenheit ist kein Symptom einer Vergiftung mit grünem Nieswurz«, erklärte der Apotheker und flöÃte Alice etwas von dem Wein ein. »Er verursacht Bläschen im Mund und bringt schlieÃlich das Herz
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