Das Gold des Bischofs
Natur war.
»Anscheinend hätte Eure raffinierte Flucht angenehmer verlaufen können, wenn Eure Freunde auch Handschuhe zur Verfügung gestellt hätten â oder ein weniger raues Seil.« Geoffrey wies auf die dick verbundene Hand, die unter dem Ãrmel zum Vorschein gekommen war. Er hörte ein leises Scharren, als der Rotschopf den Dolch in die Scheide zurückschob. Diese Vorsicht war nicht unbegründet: Flambard hatte seine Steuern so rücksichtslos eingetrieben, dass ihm viele aus dem Volk liebend gern etwas Scharfes in das schwarze Herz gestoÃen hätten.
Flambard blickte finster drein und glich mehr einem bockigen Kind als einem der mächtigsten Kirchenfürsten Englands. »Leider muss ich mich auf Männer verlassen, die weit weniger fähig sind als ich selbst.« Er bedachte seine Gefährten mit einem Blick, der so weit von bischöflicher Güte entfernt war, wie man sich nur vorstellen konnte. Die schauten denn auch beiseite, so dass Geoffrey genau wusste, wen Flambard für dieses Versäumnis verantwortlich machte. »Wie auch immer: Die Haut meiner Handflächen mag in König Henrys zartfühlender Obhut geblieben sein, doch der Rest von mir wird demnächst nach Frankreich segeln. Dort werde ich dem Herzog der Normandie meine Dienste anbieten.«
»Geoffrey hat dem Herzog der Normandie gedient«, warf Roger mit vollem Mund ein.
»Tatsächlich?«, fragte Flambard und musterte Geoffrey mit neuem Interesse. »Warum habt Ihr ihn verlassen?«
»Er hat mich zu seinem Verwandten Tankred geschickt«, beschied Geoffrey ihm knapp. Er misstraute diesem Mann aus tiefstem Herzen und wollte nicht mit ihm die Einzelheiten seines Werdegangs besprechen. Roger hatte vielleicht den Körperbau und den dunklen Teint von seinem Vater geerbt, doch im Charakter schlug er wohl eher nach der Mutter. Sonst wären Roger und Geoffrey nicht so gut miteinander ausgekommen.
»Tankred«, grübelte Flambard. »Ein gieriger und ehrgeiziger Fürst, der nur auf Kreuzzug gegangen ist, um seine persönliche Macht und seinen Reichtum zu mehren. Ich hatte dasselbe erwogen, aber hier zu Hause liefen die Dinge so gut, da wollte ich nicht zu viel für eine Sache riskieren, die womöglich ein Verlustgeschäft hätte werden können.«
Geoffrey wandte sich Flambards Begleitern zu. »Wie habt Ihr ihm zur Flucht verholfen?«, fragte er mit aufrichtigem Interesse. »Der Tower gilt als uneinnehmbar â das erzählt der König zumindest den Bürgern von London, die für den Bau bezahlen mussten.«
»Ich habe das Seil in den Wein gelegt und die Pferde bereitgestellt«, erklärte der Rotschopf. »Aber die ganze Sache war Odards Idee.«
Odard wies das bescheiden zurück. »Xavier schmeichelt mir. Ich bin nur ein einfacher Mönch.«
Er wirkte alles andere als einfach, und Geoffrey traute ihm noch einiges mehr zu als bloÃe Gefängnisausbrüche.
»Geoffrey wollte Gelehrter werden!«, rief Roger unvermittelt dazwischen. »Weil er so oft zu den Bibliotheken von Paris fortgelaufen ist, hat der Herzog der Normandie ihn als Tankreds Lehrer nach Italien geschickt.«
»Reicht Euch das rechtschaffene Gemetzel etwa nicht als Profession?«, wollte Flambard wissen, und seine Augen funkelten vor Belustigung. »Zieht Ihr womöglich Bücher einem Blutbad vor, Sir Geoffrey?«
»Ihr nicht, Herr?«, wich Geoffrey der Frage aus.
»Ich hatte selbst ein Leben als Krieger in Erwägung gezogen, als ich noch jünger war«, sagte Flambard und zuckte zusammen, als er mit der verletzten Hand ein Stück Fleisch von Rogers Teller fischte. »Schweinefleisch während der Fastenzeit! Nun, es ist trotzdem mein Lieblingsessen.«
»Meines auch«, stellte Roger kriecherisch fest.
»Was hat Euch dann gehindert, diese Laufbahn einzuschlagen?«, wollte Geoffrey von Flambard wissen.
Der Bischof kaute nachdenklich. »Ich habe rasch gelernt, dass das Leben als Höfling weit einträglicher ist. Ich empfing die Priesterweihe, nachdem König William Rufus mir die Bischofswürde angetragen hat.«
»Ich habe gehört, dieses Amt hätte Euch tausend Pfund gekostet«, merkte Geoffrey an. Das war eine fantastische Summe, von der die meisten Menschen nicht einmal träumen durften.
Flambard seufzte. »Da habt Ihr richtig gehört. Es hat mir kein Vergnügen bereitet, so viel Geld
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