Das Gold des Bischofs
gebührt es nicht, sich in Hurenhäusern herumzutreiben. Nur schade, dass man über Euch nicht dasselbe sagen kann: Es ist nicht gut für Kraft und Gesundheit.«
Geoffrey verstand, worauf Cenred anspielte. Roger hatte dunkle Ringe unter den Augen, und sein normalerweise gerötetes Gesicht wirkte blass. Anscheinend hatte er gestern, nachdem seine Schwester zu Bett gegangen war, noch den Getränken und der weiblichen Gastfreundschaft im Erdgeschoss zugesprochen. Geoffrey hatte überlegt, dasselbe zu tun, da er nach dem Zusammenstoà mit den rätselhaften Armbrustschützen noch unruhig und aufgeregt war. Allerdings war er zu dem Schluss gekommen, dass ein solches Verhalten unhöflich wäre, solange er Eleanors Gast war. Er hatte von Roger dieselbe Zurückhaltung erwartet â eigentlich hätte er es besser wissen sollen.
»Ihr lebt also immer noch, was?«, fuhr Roger ungerührt fort und trieb seine Scherze mit dem stellvertretenden Sheriff. »Ich dachte, irgendwer hätte Euch inzwischen einen Dolch zwischen die sächsischen Rippen gestoÃen.«
Cenred blickte ihn feindselig an. »Ihr redet so, als wäret Ihr ewig fort gewesen, dabei waren es nur vier glückliche Jahre. Und niemand hat Euch vermisst.«
»Cenred wird bald Sheriff«, sagte Eleanor, um ihren Bruder zu warnen, damit er nicht einen Mann gegen sich aufbrächte, der bald eine der einflussreichsten Stellungen in der Grafschaft innehaben würde.
Aber Roger lieà sich von solchen Dingen nicht beeindrucken. »Gibtâs keinen Besseren für den Posten?«
»Roger!«, schnauzte Eleanor. Sie schenkte ihrem Bruder einen Becher Bier ein, dann knallte sie einen groÃen Teller mit gepökeltem Schweinefleisch vor ihm auf den Tisch und hoffte zweifellos, dass Essen und Trinken ihn zum Schweigen bringen würden. Sie bot auch Geoffrey Bier an, aber der lehnte ab: Selbst Roger hatte überrascht reagiert, als er die Stärke des Morgentrunks schmeckte, und Geoffrey wollte an diesem Tag seinen Verstand beisammenhalten.
»Also, was führt Euch her, wenn Ihr nicht die Huren ausprobieren wollt?«, fragte Roger, leerte den Becher und lieà ihn so heftig auf den Tisch krachen, dass Eleanor zusammenzuckte.
»Ich habe Neuigkeiten für Frau Stanstede«, erwiderte Cenred steif.
»Ihr kommt wegen der Männer, die uns gestern mit Armbrüsten überfallen haben«, stellte Eleanor fest und rieb über den Kratzer, den Roger auf dem Tisch hinterlassen hatte. »Der Tote liegt unten, und ich wäre dankbar, wenn Ihr ihn so rasch wie möglich fortbringen lasst.«
Cenred war verwirrt. »Welche Männer?«, fragte er. »Welcher Tote?«
Eleanor versuchte, sich ihre Ungeduld nicht anmerken zu lassen. »Der Tote, der gestern hier im Haus gestorben ist.« Cenred blickte sie immer noch verständnislos an. »Die Männer, von denen Simon Euch gestern Abend berichtet hat.«
Cenreds Gesichtsausdruck änderte sich nicht. »Simon war gestern Abend nicht bei mir â weder wegen toter Männer in Eurer Wohnstube noch wegen irgendwas anderem.«
Eleanor stieà einen heftigen Seufzer aus. »Verflucht soll er sein! Er muss geradenwegs nach Hause gerannt sein, um sich zu verkriechen!«
»Gestern Nacht war es dunkel«, strich Roger heraus. »Nach allem, was vorher geschehen ist, kannst du es ihm nicht vorwerfen, wenn er nicht allein unterwegs sein wollte.«
Belustigt nahm Geoffrey zur Kenntnis, dass der furchtlose Roger für seinen feigen Halbbruder Partei ergriff. Roger war sonst kein Mann, der für Furcht Verständnis hatte, und er behauptete immer, er sei von diesem Gefühl noch nie geplagt worden.
»Nachts ist es immer dunkel«, erwiderte Eleanor. »Aber ich habe ihn gebeten, den Sheriff aufzusuchen, und er hat mich im Stich gelassen. Man kann ihm einfach nicht vertrauen â er ist so absonderlich und wankelmütig wie sein Vater.«
»Ich hoffe nur, ihm ist nichts geschehen«, warf Geoffrey voll Unbehagen ein. Der missmutige Simon war ihm nicht gerade ans Herz gewachsen, aber deshalb wünschte er ihm noch lange nichts Ãbles. Vielleicht hatte Simon tun wollen, worum Eleanor ihn gebeten hatte, aber Wiesel hatte ihn daran gehindert.
»Er kennt Durham so gut wie seinen Handrücken«, sagte Roger zuversichtlich. »Da müsste schon mehr als ein Wiesel kommen, um ihm auf diesen StraÃen aufzulauern.
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