Das Gold des Bischofs
Roger«, sagte der Prior und erhob sich zu einer Verbeugung, als die Ritter sich näherten. »Welchem Umstand schulden wir dieses Vergnügen? Ihr setzt nicht oft Euren Fuà auf geweihten Boden, wenn Ihr in Durham seid.«
Es sprach ein Hauch von Tadel aus den Worten. Wiewohl sehr stolz auf seine Heimat, schien Roger am Stammsitz seines Vaters nicht übermäÃig beliebt zu sein. Geoffrey musterte den Prior genauer. Der war klein, beinahe zierlich, und hatte zarte, weiÃe Hände, die sich bei seinen Worten unruhig bewegten. Buschiges weiÃes Haar zierte seinen Kopf, und unter den struppig langen Augenbrauen funkelte ein Paar scharfsinniger Augen. So verschroben er auch wirken mochte: Turgot war gewiss kein Narr.
»Ich wünschte, Ihr würdet häufiger bei uns vorbeischauen«, fuhr Turgot fort und zuckte zusammen, als Roger mit harter, brauner Pranke eine seiner zerbrechlichen Hände ergriff. »Es wäre gut für Euer Seelenheil.«
Am liebsten hätte der Prior wohl noch hinzugefügt, dass er Roger dann besser im Auge behalten und Schwierigkeiten vermeiden könnte, dachte Geoffrey.
»Eure Messen liegen immer so verdammt früh am Morgen«, versetzte Roger ihm gereizt. »Wenn Ihr sie am Mittag feiert, werdet Ihr merken, dass sich Eure Gemeinde gleich verdoppelt.«
»Ich werde das im Auge behalten«, antwortete der Prior, ohne eine Miene zu verziehen. »Nun. Seid Ihr hier, weil Ihr mich darum bitten wollt, Eure Verbannung durch Bischof Flambard zu widerrufen?«
»Nein«, lieà Roger ihn kurz angebunden wissen. »Und ich wurde auch nicht verbannt. Ich bin dem Vorschlag meines Vaters gefolgt, dass mir eine Reise vielleicht gefallen könnte.«
»Und hat es Euch gefallen, die Welt zu sehen?«, fragte Turgot hoffnungsvoll. »Wenn ja, dann wollt Ihr vielleicht noch ein wenig länger reisen.«
»Das Heilige Land ist groÃartig«, schwärmte Roger. Er lächelte über Erinnerungen, die anscheinend glanzvoller waren als die Wirklichkeit. »Ich war gerade auf dem Weg zurück dorthin, als ich aufgehalten wurde.«
»Ist das so?«, fragte der Prior, und seine Enttäuschung war unüberhörbar. Er zwang sich zu einem Lächeln. »Dann werdet Ihr uns nicht lange mit Eurer Gegenwart beehren? Ihr werdet in das Heilige Land zurückkehren, wo Ihr noch eine Menge Heiden zum Töten findet, und feindliche Dörfer, die Ihr plündern und brandschatzen könnt?«
»Ja, genau so ist es«, stimmte Roger begeistert zu. »Wie gesagt: Es ist groÃartig.«
»Ich verstehe«, meinte Turgot. Er schwieg einige Augenblicke und erwartete offenbar, dass Roger ihm den Grund seines Besuchs verriet und nicht lange verweilte. Roger hatte es allerdings nicht eilig und warf erst mal vielsagende Blicke auf die Weinkrüge. Resigniert nickte Turgot einem der Mönche zu, und dieser füllte mehrere Becher. Anscheinend erkannte der Prior, dass der Besuch etwas länger dauern könnte, und beschrieb eine Geste zu seinen beiden Mitbrüdern.
»Verzeiht meine Unhöflichkeit. Ihr erinnert Euch an meine Mitbrüder? Dies hier ist Bruder Burchard, mein Cellerar.«
Burchard war ein groÃer Mann mit rosigem, feistem Gesicht und einem Schopf struppiger schwarzer Haare, der dringend geschnitten gehörte. Seine winzigen Augen wirkten eher kleinlich als intelligent, und für Geoffrey sah er aus wie die Art von Mann, die des Nachts Essen aus der Speisekammer stiehlt und dann anderen die Schuld dafür zuschiebt. Geoffrey konnte sich vorstellen, dass er in seiner Jugend â inzwischen stand der Cellerar weit im mittleren Lebensalter â eine beeindruckende Erscheinung gewesen sein mochte. Jetzt war er einfach nur zu fett. Er bedachte Roger mit einem knappen Nicken, ohne allzu herzlich zu wirken, und gönnte ihm kaum einen Blick, während er den Wein einschenkte. Etwas an ihm erinnerte Geoffrey an ein Ãffchen, das er einmal auf der Schulter eines Seemanns gesehen hatte.
»Und das ist Hemming, mein Stellvertreter«, fuhr Turgot fort und wies auf den anderen Mönch.
Von den drei Klosterbrüdern sah Hemming noch am normalsten aus. Er war zweifelsohne ein Sachse, im Gegensatz zu Turgot und Burchard, die ebenso offensichtlich Normannen waren. Sein Haar war kurz und strohgelb und sträubte sich rings um die Tonsur. Seine Augen waren von einem atemberaubenden Blau. Geoffrey gefiel die Art, wie
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