Das Gold des Bischofs
er mit versteckter Belustigung auf den Cellerar blickte, der einen Becher bedeutend voller goss als die anderen und diesen dann für sich behielt. Hemming war von dem Trio gewiss der interessanteste und am wenigsten priesterliche Mensch, befand Geoffrey.
Hemming erhob sich halb von seinem Stuhl und lächelte liebenswürdig.
»Wir sind uns nie begegnet«, sagte er mit einer leisen, aber angenehmen Stimme. »Doch Euer Ruf eilt Euch voraus.«
Roger musterte ihn argwöhnisch und versuchte, sich darüber klar zu werden, ob das als Beleidigung gemeint war. SchlieÃlich deutete er mit einer beiläufigen Geste des Daumens auf Geoffrey. »Das dort ist mein Freund.«
»Hat er einen Namen?«, fragte Hemming, und seine blauen Augen schimmerten vor Heiterkeit.
»Sir Geoffrey Mappestone«, erwiderte Roger schroff. »Und wenn Ihr auch noch seine Lebensgeschichte hören wollt: Er besitzt ein Landgut voller Schafe irgendwo bei Wales. Aber dort ist er nicht oft, meistens ist er im Dienste von Tankred de Hauteville unterwegs.«
»Habt Ihr irgendeine Verbindung mit Godric Mappestone?«, wollte Turgot wissen und beäugte Geoffrey interessiert. »Der war in der Normandie der Lehnsherr meines Vaters und lieà seine französischen Güter zurück, um sich nach Hastings eine reichere Beute in England zu sichern.«
»Das ist mein Vater«, antwortete Geoffrey und wünschte sich, dass die Normandie nicht so klein wäre und gegenseitige Bekanntschaften nicht so häufig. Sein Vater hatte nicht viele Freunde gehabt, nicht zuletzt wegen seiner Neigung, sich fremdes Land anzueignen.
Der Prior allerdings freute sich über den bekannten Namen. »Wie geht es ihm? Er muss inzwischen fast siebzig sein.«
»Er ist tot«, erwiderte Geoffrey kurz angebunden. Er wollte Turgot nur ungern erzählen, was tatsächlich geschehen war.
»Das tut mir leid«, sagte Turgot, und sein Mitgefühl wirkte aufrichtig. Geoffrey konnte nur annehmen, dass der Prior seinen Vater schon sehr lange nicht mehr gesehen hatte oder ihn mit jemand anderem verwechselte. »Ich werde heute Abend eine Messe für ihn lesen.«
»Ich danke Euch«, erwiderte Geoffrey und sprach nicht aus, dass Godric alle Messen brauchte, die er kriegen konnte.
»Ich kenne den Namen auch«, warf der Cellerar ein. Sein feistes Gesicht runzelte sich, während er in seinem Gedächtnis kramte. Er schnippte mit den Fingern. »Es ging um einen Rechtsstreit â irgendwer behauptete, Godric hätte sich gesetzwidrig das Feld seines Nachbarn angeeignet.«
»Das klingt glaubwürdig«, stellte Geoffrey fest. Sein Vater hatte die Felder seiner Nachbarn regelmäÃig wie die eigenen behandelt, und es überraschte Geoffrey nicht, dass jemand sich bei Gericht darüber beklagt hatte.
»Er wurde für schuldig befunden und zu einer Geldstrafe verurteilt«, fuhr der Cellerar fort. »Ich frage mich, ob der alte Schurke je bezahlt hat.«
»Ich kann keine normannische Ahnenreihe vorweisen und Euch deshalb auch nicht mit Familiengeschichten in Verlegenheit bringen«, merkte Hemming an und grinste über den furchtbaren Mangel an Feingefühl, den der Cellerar an den Tag legte. »Ich bin Sachse â ein Mitglied des Haliwerfolcs.«
»Zu denen gehöre ich auch, mütterlicherseits«, warf Roger ein. Dann erklärte er es für Geoffrey genauer: »Das sind die Einwohner von Durham, die von Cuthbert selbst auserwählt sind. Wir sind etwas Besonderes.«
»Cuthbert gehört jetzt zur Abtei«, bemerkte Burchard streng. »Er ist für alle da, nicht nur für sächsische Bauern, die ihn aus bloÃer Unwissenheit für sich beanspruchen.«
Die Heiterkeit wich aus Hemmings Gesicht, aber er reagierte auf Burchards Grobheit, indem er stumm auf seine Sandalen blickte. Geoffrey sah von ihm zum Cellerar und fragte sich, ob die Abtei wohl der Hort von Frieden und brüderlicher Nächstenliebe war, der sie sein sollte.
»Bevor die Abtei gegründet wurde«, erläuterte Roger, »gab es hier eine Gemeinschaft, die man âºKirche von St. Cuthbertâ¹ nannte. All ihre Priester waren verheiratet, aber sie gingen fort, als man ihnen Cuthbert wegnahm und den Benediktinern gab.«
»Nicht alle«, berichtigte Hemming leise. »Einige von uns sind geblieben. Meine Familie hat eine ganz besondere Verbindung zu Cuthbert, weil unser Vorfahr einer
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